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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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hoch, hoch, hoch hinaus und ließ es krachend wieder nach unten sausen. Als sie sich umschaute, türmte sich das Wasser zu allen Seiten auf, als ob sie in einer tiefen Grube sitzen würde. Und dann ging es unvermittelt wieder hinauf.
    Hoch.
    Runter.
    Hoch.
    Runter.
    Hoch.
    Runter.
    Sie rutschte von einer Seite des Bootes zur anderen, prallte erst gegen den Sitz, wobei sie sich den rechten Ellbogen aufschlug, und taumelte dann ins Heck. Endlich bekam sie die beiden Seiten des Bootes zu fassen und packte sie mit aller Kraft. Dann schaute sie über den Rand. Kein Zeichen einer orangefarbenen Schwimmweste.
    Kein Zeichen von BF .
    „ BF !!!!!!!!“, heulte sie. „ BF !!!!!!!!“
    Ihr Schrei hallte durch den Golf von Mexiko, sauste die rundlichen Wellen aus kaltem Salzwasser hinauf und wieder hinunter.
    91 BF . BF . BF . BF . Ihr Herz hämmerte.
    Mirja rief und rief und rief.
    Kein BF .
    Nur eine Flosse.
    Die ihre Kreise zog.
    92 Zwei wurde immer unruhiger. Er kratzte an der Tür. Dogie trank seinen Kaffee.
    Zwei fing an zu zittern. Im selben Moment fuhr eine Windböe gegen die Tür, dass es nur so klapperte.
    „Jap, jap, jap!“ In Kreisen sauste Zwei um Dogies Füße herum. Das musste Dogie doch gehört haben.
    Als ob Dogie Zweis Gedanken lesen konnte, sagte er: „Jap, Zwei, i…i…ich hab’s gehört.“ Zwei rannte zwischen Dogie und der Tür hin und her. Müssen los. Müssen los. Müssen los. Als er zum vierten Mal bei dem Mann ankam, leckte er ihm über die Zehen. Dogie lachte, bückte sich und hob Zwei auf.
    Nicht lachen! , dachte Zwei. Das war nicht lustig. Irgendetwas stimmte nicht im kleinen Universum. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht.
    Er zappelte und wand sich in Dogies Armen, bis Dogie ihn schließlich absetzte und die Tür öffnete. Und ohne zu zögern, rannte Zwei, so schnell er konnte, zum Strand.
    Dogie rief ihm nach: „Zwei! Komm zurück!“ Aber der kleine Hund kehrte nicht um.
    Er rannte und rannte und rannte und ließ Dogie weit hinter sich.
    93 Mirja war völlig durchgeweicht. Ihr Haar hing in nassen Strähnen vor ihrem Gesicht und versperrte ihr die Sicht. Sie schob es nach hinten. Sie hatte nach BF Ausschau gehalten, solange sie es wagte, und entgegen aller Vernunft gehofft, ihn irgendwo zu entdecken. Aber die Wellen wurden mit jeder Minute wilder, und sie hatte Angst, auch aus dem Boot zu fallen.
    Jetzt lag sie zu einer Kugel zusammengerollt auf dem Boden des bebenden Bootes, während das Wasser über ihre Beine spülte. Sie schlang die Arme um sich, dieselben Arme, die ihren Hund losgelassen hatten.
    Verloren. Sie hatte ihren BF verloren.
    Der Flitzer bockte in den emporschießenden Wellen und jedes Mal hob Mirjas Körper ein Stück vom Boden des Bootes ab.
    Was, wenn sie auch hinausgeworfen würde? Noch einmal spähte sie über den Rand ins Wasser. In ihrer Kehle steckte ein Schrei. Da war sie wieder, die große Flosse, genau dort, neben dem Boot!
    Im nächsten Moment war sie fort.
    Sie blinzelte. Wo war sie geblieben? Und dann packte sie der schlimmste Gedanke, der allerallerschlimmste: Was, wenn sich die Kreatur über BF hermachte?
    Mirja stöhnte und zwängte ihren Körper gegen die hintere Sitzbank, schob sich, so weit es ging, darunter.
    94 Dogie merkte, dass Zwei außer sich war. Sobald er die Tür geöffnet hatte, schoss der kleine Hund aus seinen Armen. Dogie blieb kurz stehen, um seinen Augen Zeit zu geben, sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Zwei war weit vorausgelaufen. Dogie konnte die Stimme des Hundes nur noch ganz schwach in der Ferne hören und gleich darauf wurde auch das Kläffen von dem Rauschen der Brandung verschluckt. Was war bloß in Zwei gefahren?
    Dogie beschleunigte seinen Schritt. Die Nacht war klar. Nur ein paar Wolken zogen über den sternengespickten Himmel. War tatsächlich ein Sturm im Anzug? Zwei hatte sich noch nie geirrt, noch kein einziges Mal. Aber abgesehen von der ziemlich kühlen Brise deutete nichts auf einen Sturm hin.
    Trotzdem: Zwei hatte bislang immer Recht behalten.
    Dogie würde auf jeden Fall alles noch einmal überprüfen, aber erst einmal rief er nach seinem Hund.
    „Zwei!“ Er lauschte. Er konnte das Jap-jap-jap! seines kleinen Freundes nicht hören. Wo war er? Wieder rief Dogie: „Zwei! Hiiiieerher, K…K…Kumpel!“
    Er lauschte erneut. Alles, was er hörte, waren die Wellen, die sich am Strand brachen. Es herrschte Ebbe. Im Mondlicht wirkte der Sand so glatt wie Seide, sauber gebürstet von dem sich zurückziehenden Wasser.

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