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Das Meer und das Maedchen

Das Meer und das Maedchen

Titel: Das Meer und das Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathi Appelt
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Sie wurden höher, daran gab es keinen Zweifel.
    Jetzt wäre die richtige Zeit für Meggie Maries Auftritt. Die absolut richtige Zeit.
    „Wo bist du?“, rief Mirja. „Wo bist du?“ Ängstlich rieb sie mit den Händen über die Seiten des Bootes. Das Holz war so glatt.
    Und wieder hatte sie das Gefühl, dass sie das schon einmal getan hatte – sich an den Seiten eines Bootes festhalten, eines Bootes, das in den Wellen gefangen war. Genau wie dieses.
    Aber es war nicht dieses Boot gewesen.
    Die Erkenntnis traf sie wie ein Schlag.
    Es war nicht dieses Boot gewesen.
    Es war ein anderes.
    Ein kleineres.
    Vor langer Zeit.
    Sie klammerte sich fest, während das Boot auf den höher werdenden Wellen schaukelte.
    Sie hatte die Gewissheit, dass sie all das schon einmal getan hatte. Aber wann?
    Sie kauerte sich in den Bauch des Bootes, so nah an BF wie möglich. BF zitterte am ganzen Leib. Der Mond, der stur seine Bahn über den Himmel zog, wurde blasser. Das Boot wurde schneller. Es war, als ob es angeschoben würde. Mirja setzte sich wieder auf die Holzplanke und schaute über den Rand des Bootes.
    Sie rieb sich die Augen. Vielleicht spielte ihr das Mondlicht nur einen Streich. Vielleicht war es ihre Einbildung. Vielleicht … Aber dann sah sie es wieder, auf der anderen Seite des Bootes.
    Eine mächtige Flosse.
    Sie beschrieb einen Kreis um das Boot. Mirja machte sich auf dem Boden des Flitzers ganz flach und zog BF an sich. Mit der anderen Hand umschloss sie den Glücksbringer an ihrem Hals. Seine Kälte schnitt in ihre Fingerspitzen, aber sie ließ ihn nicht los.
    87 Ein kühler Nachtwind schlüpfte durch das Fenster und ließ sich neben der schlafenden Signe auf dem Kissen nieder. Sie zog die Decke fest um sich. Sie fühlte nicht das leichte Tippen auf ihrer Schulter. Wenn da überhaupt etwas war.
    Denn wer kann schon einen Spuk fühlen?
    88 Von seiner Position über dem Boot rief Captain: „Komm her! Komm her!“ Es war ein solches Ärgernis, dass seine Menschen – und besonders sein Hund – nicht fliegen konnten! Er hatte schon oft versucht es ihnen beizubringen, aber obwohl Mirja gelegentlich mit den Armen flatterte, war es offensichtlich, dass die federlosen Wesen in dieser Hinsicht denkbar unbegabt waren.
    Captain war froh, dass er in der Lage war, über der rauen See zu schweben, aber selbst von hier aus konnte er nirgends Land entdecken. Er verspürte einen kleinen ängstlichen Stich. Er hatte nicht bemerkt, wie weit sie von der Küste weggetrieben waren.
    Die meisten Möwen finden instinktiv an Land zurück, aber Captains lädierter Flügel warf ihn irgendwie immer ein Stück weit aus der Flugbahn. Er würde noch ein bisschen höher steigen müssen. Vielleicht konnte er dann irgendwo Lichter an der Küste erkennen.
    „Komm her! Komm her!“, rief er, während er sich nach oben schraubte, die weißen Federn im Sternenlicht gesprenkelt.
    89 Mirja drückte BF fester an sich. Sie war noch nie so froh gewesen, ihn bei sich zu haben. Sie hoffte, dass das, was sie da im Wasser umkreiste, kein Hai war. Konnte es ein Hai sein? Es war schon möglich. Sie zwang sich dazu, noch einmal über den Rand des Bootes zu blicken. Kein Zweifel. Das war eine Flosse. Und sie war groß . Sie schien näher zu kommen und dann verschwand sie.
    BF winselte. Sie vergrub ihr Gesicht in seinem dichten Nackenfell. Plötzlich stieg das Boot in die Höhe.
    Hinauf, hinauf, hinauf preschte der Flitzer , und dann raste er wieder hinab, hinab, hinab. Sie klammerte sich an BF , so gut sie konnte. Und die ganze Zeit stieg das Boot und fiel, stieg und fiel, stieg und fiel, während Mirja sich an BF festhielt.
    Aber Mirja konnte das Boot nicht davon abhalten, die riesigen Wellen zu erklimmen und auf der anderen Seite wieder abzurutschen. Sie konnte die brodelnde See nicht besänftigen, dem schäumenden Wasser nichts entgegensetzen, als sie BF aus ihrer Umarmung rissen und ihn zum Bug des Bootes trugen.
    BF bellte. Panisch griff Mirja nach ihm, aber sie war nicht schnell genug. Das Meer riss ihr BF aus den Händen, hinaus aus dem Boot und schleuderte ihn in das wilde Wasser. Starr vor Schreck schrie Mirja: „Neeeiiin! BF !!!!“
    90 Mirja streckte die Arme nach BF aus. Sie machte sich lang, so lang sie konnte. Sie beugte sich, so weit es ging, über den Rand des Bootes. Das Dollbord bohrte sich in ihren Bauch, aber sie konnte nicht verhindern, dass BF über Bord gerissen wurde, hinein ins Wasser. Die riesige Welle, die ihn mitnahm, hob das Boot

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