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Das Meeresfeuer

Das Meeresfeuer

Titel: Das Meeresfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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welche?« erkundigte sich Serena.
Sie war die einzige, die kaum Anzeichen von Schrecken gezeigt
hatte, und ihre Frage klang auch jetzt eher interessiert als
ängstlich.
»Genau kann das niemand voraussagen«, antwortete
Trautman. »Wenn der Golfstrom abreißt, würde es in Europa
eisig kalt werden. Und das ist nicht einmal das schlimmste.
Hinzu käme die Rauch- und Aschewolke des Vulkans, den
Winterfeld zum Ausbruch bringen will. Unter
Umständen
könnte monatelang die Sonne nicht scheinen. Es wäre möglich,
daß ganz Europa einen zehn Jahre langen Winter erlebt. Den
härtesten Winter, den du dir nur vorstellen kannst. England,
Irland, ganz Skandinavien und vielleicht sogar ein Teil des
europäischen Festlandes würden im wahrsten Sinne des Wortes
unter einem Eispanzer verschwinden. Die Nordsee würde
zufrieren und die meisten Flüsse ebenso. « Er seufzte. »Ja,
Winterfeld könnte sein Ziel erreichen – der Krieg wäre zu Ende.
« »Und wenn er nun recht hat?« fragte Serena. »Ich meine,
wenn es wirklich das kleinere Übel wäre?« Alle starrten sie
bestürzt an, aber Serena fuhr in nachdenklichem Ton fort. »Ich
weiß noch immer nicht viel von eurer Welt und euren Sitten,
aber das, was ich bisher erlebt habe, das erschreckt mich
manchmal. Die Menschen töten sich gegenseitig und nicht nur
einige wenige, sondern Tausende. In meiner Welt wäre das
unvorstellbar gewesen. Wäre es so schlimm, sie daran zu
hindern?«
»Auf diese Weise, ja«, antwortete Trautman ernst. »Wenn
geschieht, was Winterfeld hofft, wäre nicht nur der Krieg
beendet. Millionen Menschen würden erfrieren und verhungern,
Serena. Unsere Kultur mag weit entwickelt sein, aber sie ist
auch sehr empfindlich. Manchmal reicht schon ein einziger
harter Winter, um die Versorgung eines Landes
zusammenbrechen zu lassen. Eine einzige schlechte Ernte führt
bereits zu Hungersnöten, und manchmal kostet ein einziges
Unwetter schon Hunderte von Menschenleben. Wir halten uns
nur zu gerne für die Herren der Welt, aber die Wahrheit ist, daß
wir den Naturgewalten kaum weniger ausgesetzt sind als unsere
Vorfahren. « »Sie würden nicht aufhören, sich zu bekämpfen«,
sagte Mike. »Die Menschen würden nicht mehr aufeinander
schießen, weil man es ihnen befiehlt. Aber sie würden es tun,
weil sie Hunger haben. Selbst wenn Winterfeld Erfolg hat,
macht er alles nur noch schlimmer. Es gibt nur eine andere Art
von Krieg – nicht mehr Nation gegen Nation, sondern Nachbar
gegen Nachbar und Bruder gegen Bruder. Auch wenn er recht
hat und es nur fünf Jahre dauert – Europa würde hinterher nicht
mehr existieren. «
Serena sah ihn an. Sie antwortete nicht, aber Mike konnte
regelrecht sehen, wie es hinter ihrer Stirn zu arbeiten begann.
Sie wirkte plötzlich sehr traurig, aber da war noch etwas
anderes in ihrem Blick, etwas, was Mike seltsam berührte und
ihn mit einem Gefühl der Scham erfüllte, das er im ersten
Moment nicht verstand.
Es war nicht das erste Mal, daß er sich fragte, wie Serena
seine Welt wirklich sah. Sie waren jetzt so lange zusammen,
daß er manchmal zu vergessen begann, was Serena wirklich war, aber in Augenblicken wie diesen wurde es ihm immer
wieder bewußt und meist auf sehr schmerzhafte Weise. Ganz
plötzlich begriff er, daß das wenigste, was er Serena bisher von
seiner Welt gezeigt hatte, gut gewesen war. Sie war als
Prinzessin und zukünftige Herrscherin einer Welt des Friedens
und der Eintracht in ihren gläsernen Sarg gestiegen, und sie
hatte sich in einer Zukunft wiedergefunden, die fast
ausschließlich aus Gewalt, aus Haß, aus Furcht und Neid
bestand – zumindest war es das, was sie im Laufe des
vergangenen Jahres immer wieder erlebt hatte. »Aber wenn das
so ist, warum tut er es dann?« fragte Serena. »Er muß doch
wissen, was geschieht!« »Ich fürchte, in einem Punkt hatte
Kapitän Stanley recht«, sagte Mike. »Winterfeld hat den
Verstand verloren. Ich glaube, daß Pauls Tod ihn innerlich
zerbrochen hat. Er will nur noch den Krieg beenden, weil er ihm
seinen Sohn genommen hat, und es ist ihm völlig egal, um
welchen Preis. «
Ungefähr eine Stunde vor Sonnenuntergang erreichte die
LEOPOLD die Position, an der die anderen Schiffe auf sie
warteten. Es waren sieben vollkommen unterschiedliche Schiffe
– zwei gewaltige Frachter, die beinahe die Abmessungen der
LEOPOLD selbst hatten, aber auch eine Anzahl kleinerer
Schiffe, alle deutscher, britischer und französischer
Abstammung. Winterfeld hatte sie wieder aus

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