Das Meeresfeuer
er gerade noch
gestanden hatte. Zu einem dritten Schuß kamen die Männer
nicht, denn Stanley und Singh hatten die erbeuteten Waffen
gehoben und erwiderten das Feuer. Winterfelds Soldaten zogen
sich hastig zurück.
Doch sie gaben keineswegs auf. Mike beobachtete voller
Entsetzen, wie sich das obere Ende der Laufplanke hob – und
dann über Bord gestoßen wurde. Mit einem gewaltigen
Platschen stürzte der Laufsteg ins Wasser. Die einzige
Verbindung zur LEOPOLD existierte nicht mehr.
»Serena!« keuchte Mike. »Um Gottes willen – Serena!« Von
der Atlanterin war nichts zu sehen. Die Schreie und der
Kampflärm auf dem Deck der LEOPOLD hielten an, und jetzt
hörten sie wieder Schüsse – aber weder von Serena noch von
Brockmann zeigte sich auch nur eine Spur.
Mike fuhr zornig zu Stanley herum. »Warum haben Sie das
getan?« fuhr er ihn an. »Jetzt wird er Serena bestimmt nicht
mehr gehen lassen!«
»Und wir haben eine Chance, ihn aufzuhalten«, antwortete
Stanley in kaum weniger scharfem Ton. Seine Augen funkelten
kampflustig. Offenbar verstand er gar nicht, warum Mike ihn
angriff. Wahrscheinlich war er sogar noch stolz auf das, was er
getan hatte. »Verdammt, wir sollten etwas tun, statt hier
herumzustehen und zu jammern!«
Mike ballte zornig die Fäuste. »Sie –«
»Laß ihn, Mike«, unterbrach ihn Trautman. »Er hat recht. Und
es ist nicht seine Schuld. Immerhin war es Brockmann, der als
erster angegriffen hat. «
Er schüttelte seufzend den Kopf. »Wenn wir jemandem Vorwürfe machen müssen, dann höchstens mir. Ich hätte wissen
müssen, daß Brockmann nicht einfach tatenlos zusieht, was
geschieht. «
Mikes Blick glitt verzweifelt an der LEOPOLD hinauf. Das
Schiff wuchs wie ein Berg aus Stahl über ihnen empor.
Nirgends gab es eine Möglichkeit hinaufzukommen. Was sie
sahen, war eine senkrechte, unübersteigbare Wand. Das hieß –
nicht ganz. Eine Möglichkeit gab es vielleicht doch. Bei dem
bloßen Gedanken sträubten sich Mike schier die Haare, aber sie
hatten keine andere Wahl, wenn sie Serena nicht einfach im
Stich lassen wollten.
»Astaroth!« rief er laut. »Wo bist du?« Hier. Ein schwarzer
Schatten glitt lautlos über das Deck der NAUTILUS heran.
Wußte ich doch, daß ihr ohne mich wieder mal
aufgeschmissen seid.
»Ich habe jetzt wirklich keine Zeit für deine Scherze,
Astaroth«, sagte Mike ungeduldig. »Ich brauche deine Hilfe.
Wie viele Männer sind noch unten im Schiff?«
Nur drei, antwortete der Kater.
»Drei?« wiederholte Mike ungläubig. »Aber vorhin –«
Die meisten sind wieder auf die LEOPOLD übergewechselt.
Die, die noch hier sind, gehören zu denen, die euch sowieso
begleiten wollen. Sie werden euch keine Schwierigkeiten
machen. Nebenbei – die beiden armen Teufel da auch nicht. Sie
sind froh, hier wegzukommen. Sie halten Winterfeld für genauso
verrückt wie ihr.
Mike erklärte Trautman rasch, was er von Astaroth erfahren
hatte, worauf dieser Singh und Stanley anwies, die Waffen zu
senken und die beiden deutschen Soldaten freizugeben. Singh
gehorchte sofort, Stanley erst nach ein paar Sekunden. Aber die
beiden Männer machten tatsächlich keine Anstalten, Widerstand
zu leisten.
»Also gut«, fuhr Mike fort. »Geht nach unten. Die NAUTILUS ist seeklar. Taucht auf zwanzig Meter und bleibt in der
Nähe. «
»Und du?« fragte Trautman mißtrauisch. Mike deutete nach
vorne, zum Bug der NAUTILUS, der unmittelbar neben dem
des viel größeren Kriegsschiffes lag. Es gab doch noch eine
Verbindung zum Deck der LEOPOLD hinauf. »Die
Ankerkette«, sagte er. »Ich werde hinaufklettern und Serena
holen. « »Du bist verrückt!« keuchte Chris erschrocken.
Mike lächelte matt. »Stimmt. Aber hast du eine bessere Idee?«
Er wartete Chris' Antwort nicht ab, sondern fuhr mit erhobener
Stimme fort: »Ihr bleibt in der Nähe. Falls die LEOPOLD Fahrt
aufnehmen sollte, folgt ihr mir. Möglicherweise müßt ihr Serena
und mich aus dem Wasser fischen, falls wir über Bord springen.
Astaroth wird euch sagen, was zu tun ist. « Gute Idee, sagte
Astaroth. Und wie? Mike blickte den Kater betroffen an. Für
einen Moment hatte er einfach vergessen, daß er ja der einzige
an Bord der NAUTILUS war, der die Stimme des Katers
verstehen konnte.
Es war Chris, der den rettenden Einfall hatte. »Wir nehmen
ihn mit in den Steuerraum«, sagte er. »Ich male ein Bild von der
LEOPOLD – und Astaroth zeigt uns, wo ihr euch befindet, an
welcher Seite und ob vorne oder hinten. Kann er das?«
Kein
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