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Das Meeresfeuer

Das Meeresfeuer

Titel: Das Meeresfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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vermutlich einfach
erstarrt. Er sammelte all seine Kraft, wartete bis zum allerletzten
Moment und stieß sich dann mit aller Gewalt ab. Seine weit
vorgestreckten Hände bekamen die stählerne Reling über der
Ankerkette zu fassen und klammerten sich fest. Aber der
grausame Ruck und sein eigenes Gewicht waren zu viel. Mike
spürte, wie seine Finger den Halt auf dem nassen Metall verloren und er Millimeter um Millimeter, unendlich langsam, aber
auch unaufhaltsam, wieder abzurutschen begann.
Neben ihm erreichte Singh auf dieselbe Weise die Reling. Der
Inder sah sofort, in welcher Gefahr Mike schwebte. Blitzschnell
griff er zu, umfing Mikes Hüfte und hielt ihn fest, während er
sich nur noch mit einer Hand an der Reling festklammerte. Die
Anstrengung war selbst für den muskulösen Sikh-Krieger fast
zu viel. Sein Gesicht verzerrte sich vor Anstrengung, während
er Mike langsam wieder in die Höhe schob.
»Schnell!« keuchte er. »Haltet Euch... fest – Ich kann Euch...
nicht mehr lange... !«
Die schiere Todesangst gab Mike noch einmal zusätzliche
Kraft. Mit einer letzten, verzweifelten Anstrengung zog er sich
in die Höhe, purzelte ungeschickt über die Reling und schlug
auf der anderen Seite auf dem stählernen Deck der LEOPOLD
auf. Sofort sprang er wieder in die Höhe, griff seinerseits nach
Singhs Handgelenken und half nun ihm, in Sicherheit zu
gelangen. Anschließend saßen sie fast eine Minute lang
keuchend nebeneinander. Mike wurde schwarz vor Augen, und
wäre da trotz allem nicht noch immer die nagende Sorge um
Serena gewesen, hätte er jetzt vermutlich aufgegeben. Sie waren
gerade erst an Bord des Schiffes, und schon waren sie dem Tod
nur um Haaresbreite entronnen.
Müde wandte Mike den Kopf, und was er sah, ließ ihn
abermals schaudern. Unmittelbar neben ihnen rollte sich die
Ankerkette klirrend auf einer gewaltigen Winde auf. Hätte er
einen Sekundenbruchteil später reagiert oder Singh ihm nicht im
letzten Augenblick eine Warnung zugerufen, dann wäre er jetzt
vielleicht schon unter Tonnen von geschmiedetem Stahl
begraben... »Weiter!« sagte Singh. Er erhob sich, zog Mike mit
einem kraftvollen Ruck auf die Füße und deutete zum Heck der
LEOPOLD. Die Schüsse hatten aufgehört, aber auf dem Schiff
herrschte trotzdem noch ein heilloses Chaos. Von überallher
gellten Schreie, und sie sahen Dutzende von Männern, die in
schierer Panik durcheinanderhasteten. Auf der anderen Seite des
Schiffes, dort, wo Astaroths Worten nach der Kutter angelegt
hatte, schien ein wahrer Tumult ausgebrochen zu sein. Irgend
etwas war nicht so, wie es sein sollte. Was es war, das begriff er
erst wirklich, als er die Flammen sah.
Mike blieb wie angewurzelt stehen. Irgendwo auf dem
Achterdeck der LEOPOLD brannte es. Plötzlich fiel ihm auch
noch mehr auf: Der stählerne Boden unter seinen Füßen zitterte
und bebte noch immer – und er war nicht mehr gerade! Und
endlich begriff er wirklich.
Der Ruck, der Singh und ihn beinahe in die Tiefe geschleudert
hatte, war nicht nur das Einziehen der Ankerkette gewesen. Was
sie gespürt hatten, das war eine Explosion. Irgend etwas im
Rumpf der LEOPOLD war explodiert, und zwar mit solcher
Wucht, daß es einen gewaltigen Krater in das stählerne Deck
des Schiffes gerissen – und ganz offensichtlich auch ein Leck
unter der Wasseroberfläche verursacht hatte. Die LEOPOLD
sank!
Singh mußte wohl im selben Moment wie er begriffen haben,
daß hier etwas nicht stimmte, denn er fuhr wortlos herum und
packte den nächstbesten Matrosen am Arm. »Was geht hier
vor?« herrschte er den Mann an.
»Wir sinken!« keuchte der Matrose in Todesangst. Er
versuchte sich loszureißen, aber Singh hielt ihn mit eisernem
Griff fest. »Das Schiff sinkt!« keuchte er immer wieder. »Wir
müssen von Bord! Schnell!« »Was ist passiert?« fragte Mike
noch. Aber der Mann wußte es entweder nicht, oder die Angst
war zu viel. Er zerrte und riß mit aller Kraft an Singhs Armen,
und schließlich gab Mike dem Inder einen Wink, ihn loszulassen. Blitzschnell war er wieder auf den Füßen und rannte
davon.
»Serena!« schrie Mike verzweifelt. »Wo bist du?!« Und zu
seinem Erstaunen bekam er sogar Antwort – wenn auch nicht
von der Atlanterin. Plötzlich war Astaroths Stimme wieder in
seinem Kopf:
Unter Deck. Sie ist bei Winterfeld! Ich kann nicht genau sagen
wo, aber sie sind nicht in seiner Kabine. Unter Deck. Ein
großer Raum voller lärmender Maschinen. Etwas bewegt sich
und stampft. Es macht ihr angst.

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