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Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht

Titel: Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deutsche Verlags-Anstalt <München>
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müssen störbar bleiben, um ihre Komplexität zu bewahren.
    Wandel und Stagnation
    Von John Nash, dessen Leben in »A Beautiful Mind« verfilmt wurde, haben wir einen weiteren Schlüssel zum Verständnis komplex-dynamischer Systeme erhalten. Mit dem »Nash-Equilibrium« lässt sich
errechnen, wann innerhalb eines Systems von Akteuren tatsächlich auch einmal ein (temporär) stabiles Gleichgewicht entstehen kann. Das ist der Fall, wenn keine der Spielparteien (oder »Evolutionsteilnehmer«) durch eine Änderung seiner Strategie noch Vorteile erzielen könnte.
    Für unseren Tauben-und-Falken-Planeten lässt sich das Nash-Equilibrium relativ leicht ausrechnen: Es entsteht bei einem Verhältnis von zwei Drittel Tauben und einem Drittel Falken. 8 Bei diesen Anteilen entstünde ein klassisches Kurvenschema, wie wir es überall aus der Natur kennen. Mal vermehren sich die Gazellen, mal die Löwen. Mal die Vögel, mal die Mücken – aber das Ganze bleibt im schwankenden, zyklischen Gleichgewicht. Dies könnte immer so weitergehen, allerdings nur wenn alle Umweltparameter auf unserem Falken-Tauben-Planeten bis auf alle Ewigkeit konstant blieben.
    Weil genau das ziemlich unwahrscheinlich ist, setzt sich die Evolutionsgeschichte immer weiter fort – und produziert auf Dauer Komplexität. Kontinente verbinden sich. Fremde Populationen wandern ein. Das Klima ändert sich. Das Zentralgestirn flackert. Kometen schlagen ein. In diesem Tohuwabohu arbeitet die Evolution weiter auf Hochtouren an ihrem einzigen »Ziel«: dem Überleben. Die Komplexität unserer Vogelpopulation wird weiter steigen, weil die Störung weitergeht. So könnte es zum Beispiel eine Gruppe von Tauben geben, die Falken- und Tauben-Verhalten kombinieren. Die Falben oder Kampftauben. Unter dem Motto »Wir verhalten uns prinzipiell passiv, aber in bestimmten Situationen kämpfen wir gemeinsam gegen die Falken« könnten diese »Kombinierer« evolutionäre Fitness entwickeln. Es könnte auch »Tarnfalken« geben, die so tun, als ob sie aggressiv seien, in Wirklichkeit aber lammfromm agieren – Vorsprung durch Täuschung. Oder Tauben, die sich Falken als Sklaven halten, und so fort.
    Je differenzierter die Strategien werden, desto flexibler kann das ganze System auf Umweltveränderungen reagieren. Desto unwahrscheinlicher wird das Aussterben. Aber auch ein verheerender Krieg innerhalb des Systems. Differenzierung senkt auf geheimnisvolle
Weise den Aggressionsdruck. Wenn nur Falken und Tauben auf unserem Planeten flattern, werden die Tauben ziemlich oft verfrühstückt. Wenn es aber neben Falken und Tauben auch Fauben und Talken und vielleicht noch Fautalken und Taukenfauben gibt, sieht die Sache schon wieder anders aus …
    Teilung und Verbindung
    Von Thomas Schelling, einem der Begründer der strategischen Spieltheorie, stammt das erklärende Modell für diesen Effekt. Schelling war Berater einiger US-Regierungen; unter anderem arbeitete er im Beraterstab von John F. Kennedy während der Kubakrise, als die Welt kurz vor einem Nuklearkrieg stand. Durchaus möglich, dass wir dem Einfluss dieses Mannes auf die Politik die Verhinderung einer Menschheitskatastrophe verdanken.
    Schelling fragte sich schon in den sechziger Jahren, warum es in großen Städten immer wieder zum Phänomen der Ghettos kommt. Warum drängen sich die Türken in »Klein-Istanbul« in Berlin, die Chinesen New Yorks in Chinatown, die Schwarzen in Harlem, anstatt sich in einem ausgewogenen Mischungsverhältnis zu assimilieren? Ein echtes Zivilisationsproblem, das immer wieder zu sozialen Spannungen und Ausbrüchen von Fremdenfeindlichkeit führt. Schelling entwickelte daraufhin auf seinen vielen Flugreisen auf einem kleinen, zusammenklappbaren Schachbrett das »Segregationsmodell«. 9 Dabei setzte er eine Alltagsbeobachtung um: Wenn ein Mitglied der Kultur A in einem Umfeld lebt, in dem einige Mitglieder der fremden Kultur B wohnen, macht ihm dies nichts aus. Er kann die »anderen« tolerieren oder sie gar als Bereicherung empfinden. Er beginnt sich jedoch unwohl zu fühlen, wenn er ausschließlich von »Bs« umgeben ist. Auf seinem Schachbrett mit gemischter Bevölkerung legte Schelling nun Regeln fest. Zum Beispiel: Wenn eine Spielfigur von mehr als drei »Fremden« direkt umgeben ist (von vier möglichen direkten Nachbarn), zieht sie in eine Gegend um, in der wiederum mindestens drei direkte Nachbarn der eigenen Kultur wohnen. Auf diese Weise enthalten wir auf Dauer das typische Ghetto-Bild,

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