Das Megatrend-Prinzip - wie die Welt von morgen entsteht
prognostizieren, wohin das Lineal fallen wird, und die Hand steuert dem entgegen. Das ist ein Feedback-Loop.
Die »dynamische Adaptivität durch Feedback-Schleifen« ist das innere Wesen der Komplexität (und in gewisser Weise das Zentrum dieses Buches). Sie ist der Grund, warum manche das Einradfahren beherrschen. Oder Märkte funktionieren. Menschliche Kulturen gedeihen. Megatrends zu Veränderungen in den gesellschaftlichen Systemen führen. Und warum die Zukunft verstanden werden kann.
Das Einfache im Vielfältigen
Ist ein Passagierjet komplexer als eine Bakterie? Das ist eine schwierige Frage. Er hat sehr viele Teile unterschiedlicher Größe, Form und Funktion. Er ist kompliziert, wenn man ihn in seine Einzelteile zerlegt. Wenn er im Hangar steht, ausgeweidet und ausgeschlachtet, ist ein Passagierjet nichts als ein »Wartungsphänomen mit Aktionsdefizit«. Wenn er fliegt, wird er zum Teil eines größeren Systems, bestehend aus Tausenden von Instrumenten, Technikern und Organisatoren, das ihn gewissermaßen »in der Luft
hält«. Wenn ein Einzelteil ausfällt, springt ein anderes ein. Wenn der Pilot einen Flughafen nicht anfliegen kann, wird ein anderer seine Landebahn zur Verfügung stellen. Ein funktionierender Jet wird in gewisser Weise »lebendig«, indem er Teil eines (komplexen) äußeren Systems wird, das seine Kompliziertheit »erlöst«.
Die innere Differenziertheit einer Bakterie ist womöglich sogar noch höher als die eines Flugzeugs. Allein der Gencode, die DNA, besteht aus Informationsmengen, die das Volumen einer technischen Anleitung für Flugzeuge übertreffen. Eine Bakterie ist eine Proteinfabrik, die von innen durch genetische Prozesse gesteuert wird und nach außen durch Botschafterproteine kommuniziert. Wenn man eine Bakterie mit einem atomaren Skalpell »auseinanderschneidet«, bleibt nur ein Haufen sinnloser Moleküle übrig. Nur wenn eine Bakterie in einer Umwelt lebt, wird Komplexität daraus.
Es handelt sich also um verschiedene Arten von Komplexität, die sich stufenweise in unterschiedlichen Umwelten und von unterschiedlichen Systemplattformen (biologisch, mechanisch) aus entfalten. Komplexe Systeme kann man mit folgenden Eigenschaften beschreiben: Ihre Struktur ist differenziert und vielfältig. Sie verfügen über »Feedback-Loops«, die für positive wie negative (dämpfende und verstärkende) Rückkopplungen sorgen. Sie besitzen im Fall biologischer Organismen die Fähigkeit zur Selbstregulation. Sie können zwischen stabilen und chaotischen Zuständen hin- und herwechseln. 3
Komplexität entsteht aus Differenzierung und Konnektivität. Das »Design« eines Systems oder eines Organismus verleiht den vielen interagierenden Teilen Stabilität. Man könnte dieses Phänomen auch »systemische Eleganz« nennen. Schönheit, die in der Funktionalität angelegt ist. Und für diese aus der Evolution geborene Eigenschaft haben wir einen siebten Sinn.
Die große Drift
Kehren wir in den Orbit zurück, zu jenem magischen Leuchten der Zivilisation. Warum sind wir hier? Warum existieren die komplexen Strukturen des Lebens auf der Erde? Das tiefe Staunen über
die Tatsache, dass wir existieren, über das, was Leben und Bewusstsein ausmacht, hat auf unterschiedlichen Pfaden zu den Religionen geführt. Menschen konnten sich über Äonen hinweg ihre Existenz nur als »gegebene« vorstellen, als Copy-und-Paste-Modell des Göttlichen. Noch heute scheitern viele Hirne an der Vorstellung einer evolutionär, das heißt »zufällig« entstandenen Komplexität. Wie und warum kommt es zu derart steil aufragenden Türmen der Komplexität, wenn das Ganze nicht »designt« wurde?
Die Antwort findet sich an den Schnittstellen von Evolutionswissenschaft, Systemtheorie und Quantenphysik. Nach dem Urknall – oder was auch immer das Universum in Gang setzte – entstanden zunächst Atome einfacher Ordnung. Durch die Gesetze der Schwerkraft und der Wellenphysik wurde durch Kernreaktionen in Sternen wie unserer Sonne ein Teil von ihnen zu komplexeren Atomarten umgewandelt. Aus »einfachen« Wasserstoff-Atomen entstanden Helium-Atome und dann weitere Elemente. Sobald unterschiedliche Mengen von Elektronen um unterschiedliche Kombinationen von Protonen – Atomkerne – rotieren, ergeben sich immer höhere Wahrscheinlichkeiten für Verbindungen. Aus einfachen Atomen wurden schließlich komplexere Moleküle und letztlich die Grundbausteine des Lebens wie die Aminosäuren. Irgendwann entwickelten sich Zellen,
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