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Das Menue

Titel: Das Menue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Rankin
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Hendrix schwang Jack Doveston seinen heruntergekommenen Oldsmobile auf den Parkplatz der Miskatonic University. Er war voll. Die Wagen der Studenten waren neuer und protziger. Die Studenten waren pünktlich. Ein Fluch kam bereitwillig über Jacks Lippen. Er stellte den durstigen Oldsmobile auf dem Grasstreifen ab, klemmte das Pannenschild unter den Scheibenwischer, knallte die rostübersäte Tür zu und stapfte missmutig davon.
    Die Universität beeindruckte ihn jedes Mal aufs Neue. Wie auch nicht. All diese gotischen Türmchen und Kuppeln. All das gemarterte Mauerwerk, die kannelierten Säulen, die Wasserspeier und Galerien, die Fenster mit ihrem Stabwerk und den Groteskerien aus Bleiglas. Überwältigend. Und trotz alledem gehörte Jacks Herz dem schwach beleuchteten Tiefgeschoss unter dem eigentlichen Keller, und er hätte sich nichts anderes vorstellen können. Jack ging um die Erhabenheit herum und eine Seitentreppe hinunter. Er verschaffte sich mit seinem Hauptschlüssel Zutritt und wanderte durch staubige Korridore in Richtung des Schoßes der großen Universität. Es war definitiv der Schoß und nicht das Herz. Das Herz lag drei Stockwerke darüber, der große Vorlesungssaal. Wenigstens sah es Jacks Frau so. »Dein eigener kleiner Schoß, in den du Tag für Tag durch die Hintertür gelangst.«
    Die Räume mit den Büchern waren trocken und sauber und besaßen eine adäquate Lüftung. Trotzdem lagen die Ausdünstungen von 666666 antiken Folianten schwer in der Luft. All diese Seiten. Millionen davon. Es war Jacks Aufgabe, heute wie seit fünf Jahren, seit jenem Tag, an dem er aus England hergekommen war, um die Arbeitsstelle anzutreten, jede einzelne dieser Seiten auf Computerdisks zu übertragen.
    Das Projekt hatte in großem Maßstab begonnen: fünfzig Terminals, an denen Tag und Nacht gearbeitet worden war. Doch inzwischen waren die Zeiten hart, und finanzielle Mittel ein Ding der Vergangenheit. Inzwischen waren da nur noch Jack und Spike und keine Überstunden mehr. Die größte Sammlung seltener okkulter Bücher weltweit, und nur die beiden ganz allein, um sie zu übertragen, bevor sie zu Staub zerfallen konnten.
    Jack hatte das System entwickelt: das Über-Kreuz-Katalogisieren, -Referenzieren, -Indizieren und was nicht sonst noch alles, und das Projekt war nicht mehr weit von seiner Fertigstellung entfernt. Die Sahnestückchen von allem waren erfasst: Die Daemonolatreia von Remigius, Joseph Glanvils Saducismus Triumphantus und selbst das unaussprechliche Necronomicon des verrückten Arabers Abdul Alhazred in der verbotenen lateinischen Übersetzung von Olaus Wormius. Kein Scherz. Alles auf Disk, jedermann zugänglich, der autorisiert war, einen Blick darauf zu werfen, während die Originale für die Ewigkeit in Hüllen aus Protektrit versiegelt worden waren.
    Jack nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und fuhr seinen Computer hoch. Der Schirm wurde blau, während Jack die Schublade aufzog, eine halbe Flasche Wodka herausnahm und einen kleinen Frühstücksschluck zu sich nahm.
    Beinahe im gleichen Augenblick schnaubte ihn ein schreckliches »State of the Art«-Telefon verächtlich an. Jack nahm den Hörer ohne Begeisterung auf und sagte: »Bücherei?«
    Zu seinem ausgesprochenen Missvergnügen wünschte ihm die Stimme des Dekans einen guten Morgen. Jack erwiderte die redundante Höflichkeit. Er hatte seit Monaten keinen guten Morgen mehr gehabt.
    »Jack«, sagte der Dekan. »Wie geht die Arbeit voran?«
    »Exzellent, Sir, danke der Nachfrage.« Jack tat sein Bestes, um begeistert zu klingen.
    »Gut. Haben Sie alles, was Sie brauchen?«
    »Nun…« Ich habe neunundvierzig leere Schreibtische, dachte Jack.
    »Ich frage mich, ob Sie Zeit hätten, hoch in mein Büro zu kommen…«
    »Nun…«
    »Sehr gut. Sagen wir fünf Minuten? Danke sehr.«
    Jack legte den Hörer auf und wandte sich wieder seinem Frühstück zu. In fünf Minuten im Büro des Dekans? So weit ist es also gekommen, wie? Jack konnte bereits die Worte des Dekans hören, wie stets in kaltem und unbeteiligtem Tonfall. Die Situation unterliegt nicht unserer Kontrolle. Ständige Kürzungen der Mittel. Uns sind die Hände gebunden. Ich bedaure sehr, aber wir sind gezwungen, Sie zu entlassen.
    »Irgendetwas sagt mir«, sagte Jack Doveston laut, »dass dies heute nicht mein Tag wird.«
    Selbstverständlich sollte er damit Recht behalten. Was er jedoch nicht wissen konnte – und selbst wenn er es getan hätte, ist es zweifelhaft, ob er aus der

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