Das Midas-Kartell
gereizt gesagt. Erst als Daniel nicht mehr mailte und anrief, kam er allmählich auf Touren. Es war gerade ein paar Monate her, dass er angefangen hatte, sich mehr zu engagieren und Kontakt zu Leuten aufzunehmen, die Daniel möglicherweise gekannt hatte.
Vielleicht hatte er deshalb so prompt auf die Informationen reagiert, die dieser Markus Cartright geschickt hatte, dachte sie. Seine ganz natürliche väterliche Angst war durchwirkt von schlechtem Gewissen â jedenfalls hoffte sie das. Vielleicht war es seine Art einzugestehen, dass er Daniels Probleme auf die leichte Schulter genommen hatte.
»Gib mir doch bitte den Laptop«, sagte Edward, die Augen immer noch ins Leere gerichtet.
»Hier.« Sie zog das Netzkabel, nahm den Computer vom Schreibtisch und klappte ihn auf. »Können wir diesem Markus trauen?«, fragte sie.
Edward runzelte die Stirn. »Ich traue seiner Stimme. Er klingt, als wäre er zögerlich, verwirrt, gereizt und ganz offensichtlich chaotisch.«
»Das klingt aber nicht sehr positiv.«
»Oh, das ist es aber«, widersprach Edward sofort. »Es bedeutet nämlich, dass er kein Profi ist, dass er nicht dazugehört. Dafür spricht auch die Art, wie er versucht zu begreifen, was vor sich geht â blindlings, aufs Geratewohl. Ich habe in Daniels ehemaligem Internat angerufen, dem Royal College. WeiÃt du noch, wie schrecklich er es dort fand? Jedes Mal wenn wir ihn zu Schulbeginn dort ablieferten, hat er das ganze Haus zusammengebrüllt. Wie unglaublich peinlich.«
Elizabeth räusperte sich und zupfte sich eine imaginäre Fussel vom Rock. Es war nicht ihre Idee gewesen, den Jungen in ein Internat nach England zu schicken, aber bei der Erziehung ihres Sohnes hatte sie Edward nie dreingeredet. Und doch war kein Tag vergangen, an dem sie nicht überlegt hatte, sofort das nächste Flugzeug nach Heathrow zu besteigen, um Daniel zu retten â in welcher Botschaft der Welt auch immer sie sich gerade aufhielten.
»Das Sekretariat hat bestätigt, dass Markus Cartright dort Schüler war. Er ist ein paar Jahre älter als Daniel, war aber zur gleichen Zeit dort wie er. Und er ist tatsächlich Fotograf, so wie er behauptet. Er hat eine Website über seine Arbeiten, mitsamt Referenzen und so weiter.« Er tippte eine Webadresse ein und rief Markusâ Homepage auf. Was er über dessen Vater herausgefunden hatte, behielt er indessen lieber für sich. Elizabeth würde sich nur Sorgen machen, und es hatte keinen Sinn, sie mit etwas zu belasten, das möglicherweise gar keine Rolle spielte. Er machte sich ohnehin genug Gedanken für sie beide. »AuÃerdem hat Daniel seine Informationen ganz bewusst diesem Mann geschickt und nicht irgendjemand anderem. Ich finde, wir sollten seine Entscheidung respektieren. Warten wir ab, was Cartright erreicht. Nach seinen Referenzen zu urteilen kann er sehr gut auf sich selbst aufpassen.« Edward schwieg, sah jedoch aus, als wäre er noch nicht fertig.
»Aber?«
»Aber wenn er mir nicht binnen vierundzwanzig Stunden verlässliche Angaben über Daniels Aufenthaltsort liefert, schalten wir das AuÃenministerium ein.«
35
Malcolm Fretwell jagte seine Maschine über die LandstraÃe. Es war nicht viel Verkehr, denn zu dieser Tageszeit fuhren die meisten in die Stadt hinein statt aus ihr heraus. Er hatte den Helm abgenommen und an den Ellbogen gehängt, seine Jacke stand offen. Die alte Kawasaki krachte und donnerte, und der Wind fegte ihm um die Ohren, doch es fühlte sich gut an, einmal weg von der Ranch zu sein. Nach zwei Wochen im Kopf des Gefangenen hatte er selbst das Gefühl, in der Falle zu sitzen. Dabei sollte Daniel Wiseman derjenige sein, der es nicht mehr aushielt.
Er bog von der HauptstraÃe auf einen schmalen Weg ab, der von Kaffeeplantagen gesäumt war. Der Boden am Fuà der beiden Vulkane war so fruchtbar, dass man hier alles anpflanzen konnte. Das Problem war nur, dass auch das prächtig gedieh, was man nicht haben wollte. Die Bauern der Kooperativen mussten schwer schuften für ihr mageres Auskommen.
Als die unbefestigte StraÃe zunehmend holpriger wurde, lockerte Malcolm leicht die Gashand, trotzdem rüttelte jeder Stoà an seinem Rückgrat. Dafür, dass die Menschen hier so schwer arbeiten mussten, war sein Team erstaunlich faul. Er parkte die Maschine auf dem Hof der Ranch. Hier war es noch heiÃer als in der Stadt,
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