Das Midas-Kartell
Spätnachmittagssonne in den Schatten flüchteten.
Gegen 16:30 Uhr hielt ein Toyota Land Cruiser mit getönten Scheiben. Zwei Männer stiegen aus und schlenderten die StraÃe entlang. Der eine blieb an einem Obststand stehen und plauderte mit dem Verkäufer, der andere betrat die Bank. Auf den Mann im StraÃencafé achteten sie nicht. Der, der in die Bank gegangen war, kam nach rund einer Minute wieder heraus, legte Daumen und Zeigefinger an die Lippen und pfiff. Die Beifahrertür des Toyota öffnete sich, und ein dritter Mann stieg aus: ein kleiner, untersetzter Kerl in einem Leinenanzug, der ihm zwei Nummern zu groà war. Er eilte zum Heck des Wagens, tupfte sich die Stirn und öffnete dann die Klappe, um zwei groÃe Koffer herauszuhieven und über die StraÃe zu ziehen. Ganz offensichtlich waren sie schwer, und bei einem waren die Räder kaputt, sodass der Plastikboden über den Asphalt schleifte.
Daniel nahm einen verhaltenen Schluck von seinem Kaffee. Er wollte unbedingt sehen, was da vor sich ging, durfte sich aber nicht verdächtig benehmen. Es war das erste Mal, dass er irgendetwas Ungewöhnliches beobachtete, und das Gefühl, tatsächlich auf etwas gestoÃen zu sein, lieà seinen Magen Karussell fahren. Eine unbedachte Geste, und die Männer würden ihn nicht mehr als Teil der Szenerie, sondern als potenzielle Bedrohung betrachten â davon war er überzeugt.
Die beiden Männer aus dem Toyota standen vor der Bank an dem Obststand, die Hände lässig in die Hüften gestützt. Einer zog seine Brieftasche hervor und kaufte ein Stück Wassermelone, der andere machte einen Witz, und der Obsthändler lachte. Daniel hob seine Tasse, um zu trinken, stellte dann aber fest, dass sie leer war. Er machte dem Kellner ein Zeichen.
»Otro café, por favor.«
Der Kellner wirkte ungehalten, denn er hätte den Laden gern zugemacht. Widerwillig kam er und räumte die leere Tasse ab, ehe er die Espressomaschine auffüllte.
Daniel bemühte sich, möglichst überzeugend Interesse für seine Zeitung zu heucheln, ohne den Blick vom Eingang der Bank zu nehmen.
Der Kellner zog sich in den Schatten der Bar zurück, um auf den Fernseher zu starren, der über der Theke hing, und durch die Programme zu zappen.
SchlieÃlich erschien der Mann im Leinenanzug wieder. Wie lange war er in der Bank gewesen? Zwanzig Minuten? Eine halbe Stunde? Er ging jetzt mit raschen Schritten über die StraÃe. Die Koffer waren offensichtlich leichter geworden, nichts schrammte mehr über den Boden. Daniel notierte sich das Autokennzeichen, während die beiden anderen Männer sich von dem Obsthändler verabschiedeten und auf die Rückbank kletterten. Der Toyota fuhr langsam an und bog am Ende der StraÃe links ab. Nächstes Mal würde er sich einen Mietwagen nehmen müssen.
Daniel stand vom Tisch auf, hinterlieà ein paar Quetzal neben seiner Espressotasse und ging auf den Obststand zu.
»Hola«, sagte er.
Der alte Mann grinste unter dem ausgefransten Rand eines Strohhuts hervor. Sein Gesicht war braun wie eine Walnuss. Trotz der Hitze hatte er einen Wollschal um die Schultern geschlungen.
»Cuánto cuesta la sandÃa?«
»Tres dollars«, erwiderte der Alte.
»Eine Scheibe bitte.«
Der Mann nickte und griff zu einer Machete, um mit zwei routinierten Schnitten ein groÃes Stück aus der Wassermelone zu trennen, das er Daniel reichte.
»Kannten Sie die Männer?«, fragte Daniel beiläufig und nickte in die Richtung, in die der Toyota entschwunden war. Er war sogar bereit, für die Information zu zahlen, nur wusste er nicht, wie er dem Mann das zu verstehen geben sollte.
»SÃ, Männer von Ramirez. Arbeiten für ihn. Alle wissen das. Alle arbeiten für ihn.«
»Erzählen Sie mir jetzt, wer Ramirez ist?«
Das war nicht der alte Obsthändler. Es war wieder dieser Texaner, dessen Quadratschädel über ihm schwebte. Daniel setzte ein schiefes Lächeln auf, genau wie das von Pieter in seiner Erinnerung. »Er weiÃ, wer Sie sind«, sagte er, die Frage ignorierend.
»Ach, tatsächlich.«
»Er weià alles. Fragen Sie Mr Wittgenstein nach ihm. Er wird es Ihnen erzählen. Mr Wittgenstein hat waaahnsinnig Angst vor ihm.«
Malcolm bereitete eine neue LSD-Spritze vor. Der Gefangene war ihm entschieden zu widerstandsfähig, zu klar im Kopf. Er drückte ihm
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