Das Midas-Komplott - Thriller
er eigentlich auch wissen müssen, dass Sprachen nicht gerade seine Stärke waren. Er konnte ein Bier auf Spanisch oder Französisch bestellen, er konnte auch fragen, wo die Toilette war, aber damit waren seine Sprachkenntnisse schon erschöpft. Die Anweisungen seien nicht für ihn, hatte der Mann gesagt. Für wen waren sie dann?
Er zermarterte sich das Gehirn, ob er jemanden kannte, der ihm den Zettel übersetzte, als es an die Laderaumtür hämmerte. Tyler erstarrte.
»Ist da jemand drin?«, fragte eine weibliche Stimme.
»Alles in Ordnung«, entgegnete Tyler. Er ging davon aus, dass es jemand von der Besatzung war. »Ich zurre nur ein paar Gegenstände fest, die sich gelockert haben.«
»Öffnen Sie die Tür.«
Noch neunzehn Minuten. Er hatte keine Zeit, aber wenn er nicht auf sie einging, würde er mehr Aufmerksamkeit auf sich lenken, als ihm lieb war. Er würde sie schnell abfertigen und sich danach um die Übersetzung kümmern.
Er hatte eine Angestellte in gepflegter Uniform erwartet. Stattdessen stand eine kleine Frau in den Dreißigern vor ihm. Sie trug eine schwarze Lederjacke, Jeans und modische, aber praktische Stiefel. Schulterlanges blondes Haar und eine Spur von Make-up betonten ihre hohen Wangenknochen und vollen Lippen. Sie sah gut aus und schien genau zu wissen, was sie wollte.
Tyler erkannte sie sofort. Stacy Benedict, die Moderatorin der Fernsehsendung »Jagd auf die Vergangenheit«.
Verwirrt platzte er heraus: »Was machen Sie denn hier?«
Die Frau hatte Tyler ebenfalls erstaunt gemustert. Sie antwortete: »Ein Mann hat mir gesagt, jemand würde in diesem Lastwagen auf mich warten.«
»Hatte er eine heisere Stimme?«
»Richtig. Aber Sie hat er mit keinem Wort erwähnt.«
Sie erinnerte sich anscheinend daran, dass er in ihrer Sendung zu Gast gewesen war. Sie konnten also darauf verzichten, sich bekannt zu machen.
Hatte der Mann nicht gesagt: »Die Anweisungen kleben auf dem Kühlschrank. Steht alles für Sie da, nein, nicht für Sie, aber das werden Sie dann schon sehen«, dachte Tyler und fragte unvermittelt: »Sie sprechen nicht zufällig Griechisch?«
Ihr Blick schien zu sagen, dass die Frage in ihren Ohren mindestens so lächerlich klang wie in seinen. Aus ihrer Antwort ging jedoch hervor, dass die Gründe dafür andere waren.
»Ich habe Altphilologie studiert. Und ich spreche auch Neugriechisch. Warum?«
Er gab ihr den Bogen Papier. »Darum.«
Beim Lesen wurde sie blass, geriet aber weder in Panik noch brach sie in Tränen aus. Stattdessen verzerrte sich ihr Gesicht vor kaum unterdrückter Wut.
Sie blickte auf und fragte: »Wo ist die verdammte Bombe?«
5. KAPITEL
Stacy stieg in den Lastwagen. Tyler schloss die Tür hinter ihr, sie war bereits wieder in die Anweisungen vertieft. Sie waren in schlechtem Neugriechisch abgefasst, aber sie verstand, worum es sich drehte.
In diesem Lastwagen ist eine Bombe. Arbeiten Sie mit dem Mann
zusammen, um sie zu entschärfen. Gelingt das nicht, werden Sie und Ihre Schwester sterben.
Es war erst eine Stunde her, dass sie ihren Koffer gepackt hatte, um mit der Morgenmaschine nach New York zu fliegen. Ein Unbekannter hatte sie angerufen und behauptet, ihre Schwester Carol in seiner Gewalt zu haben. Beim Anblick des Fotos ihrer gefesselten und geknebelten Schwester hatte sie ihn wütend beschimpft. Es dauerte eine Weile, bis er mit seinen Anweisungen zu ihr durchdrang.
Er hatte von ihr nichts weiter verlangt, als die Fähre um halb neun nach Bremerton zu nehmen und dort auf weitere Instruktionen zu warten. Nachdem er aufgelegt hatte, gönnte sie sich fünf Minuten, um den Schock zu verdauen, sie zitterte am ganzen Körper, aber weinen war nie ihr Ding gewesen. Auch ihre Schwester weinte nicht. Soweit sie sich erinnern konnte, waren ihre Tränen das letzte Mal geflossen, als ihr Hund Sparky gestorben war. Sie selbst war damals vierzehn gewesen und Carol zwölf. Dass sie so schwer zu erschüttern war, lag vielleicht auch daran, dass sie auf einem Bauernhof in Iowa aufgewachsen waren.
Bei aller Tapferkeit brauchte sie aber zum Glück nicht alleine zu kämpfen. Es schien, als hätte sie zumindest einen Mitstreiter, auch wenn sie den Mann eigentlich nur dem Namen nach kannte.
Vor neun Monaten hatte sie Tyler Locke in einer ihrer Sendungen interviewt. Er war eine große Attraktion gewesen, denn er hatte eine wichtige Rolle bei der Entdeckung der Arche Noah gespielt. Vor ihrem Gespräch hatte er ihr allerdings unmissverständlich zu verstehen
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