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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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und sie wusste, dass eine Bluttat geschehen war und sie eine zweite verhindern musste. Sie hatte dem Mädchen mit einem Zauber die Schmerzen genommen, die sie jetzt dicht über ihrer Schulter im Gleichgewicht hielt. Natürlich waren sie unsichtbar, aber vor Tiffanys innerem Auge brannten sie in feurigen Farben.
    »Da ist bloß dieser Schuft dran schuld«, murmelte Herr Micker, dem das Erbrochene über die Brust lief. »Steigt ihr nach und verdreht ihr den Kopf, bis sie sich von ihrer Mutter und mir nichts mehr sagen lässt. Dabei ist sie doch erst dreizehn. Es ist eine Schande.«
    »William ist auch erst dreizehn«, sagte Tiffany. Es gelang ihr nur mit Mühe, ihren Zorn im Zaum zu halten. »Und was soll das überhaupt heißen? Dass sie zu jung war, um sich zu verlieben, aber nicht zu jung, um dermaßen verprügelt zu werden, bis sie an Stellen geblutet hat, wo kein Mensch je bluten sollte?«
    Sie war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich zu ihm durchdrang. Selbst nüchtern war er von so beschränktem Verstand, dass man sich fragte, ob er überhaupt etwas anderes als Stroh im Kopf hatte.
    »Was die zwei getrieben haben, gehört sich nicht«, sagte er. »Und ein Mann muss ja wohl dafür sorgen, dass wenigstens unter seinem eigenen Dach Zucht und Ordnung herrschen. «
    Tiffany konnte sich lebhaft vorstellen, was für hitzige Reden im Wirtshaus geschwungen worden waren – als Ouvertüre zur Katzenmusik. Es gab zwar nicht viele Waffen im Kreideland, aber dafür hatten die Leute Sicheln, Sensen, Messer und große, schwere Hämmer – die nur so lange keine Waffen waren, bis jemand damit angegriffen wurde. Und das ganze Dorf wusste, wie jähzornig der alte Micker war und wie oft seine Frau – wenn sie mal wieder ein blaues Auge hatte – ihren Nachbarn weismachen wollte, sie wäre gegen eine Tür gelaufen.
    Oh ja, sie konnte sich vorstellen, wie sich die Stimmung im Wirtshaus, angefacht vom Bierdunst, immer weiter aufheizte, bis den Leuten irgendwann die Sachen in den Sinn kamen, die bei ihnen zu Hause im Schuppen hingen und die – noch – keine Waffen waren. In seinem eigenen kleinen Reich war jeder Mann der Herrscher. (Das glaubten zumindest die Männer.) Und deshalb steckte man seine Nase nicht in anderer Leute Angelegenheiten. Aber wenn es im Reich des Nachbarn zu gären begann, musste man etwas unternehmen, damit sich die Fäulnis nicht weiter ausbreiten konnte. Herr Micker war das schmutzige kleine Geheimnis der Dorfgemeinschaft — aber eines, das sich nach den Vorfällen dieses Abends nicht mehr unter der Decke halten ließ.
    »Ich bin Ihre einzige Chance, Herr Micker«, sagte Tiffany. »Sie müssen fliehen, und zwar sofort. Packen Sie ein paar Sachen zusammen, und dann nichts wie weg. Laufen Sie so weit, bis Sie keiner mehr kennt, und dann sicherheitshalber noch ein paar Meilen weiter. Ich kann die Leute nämlich nicht aufhalten. Verstehen Sie? Mir persönlich ist es herzlich egal, was sie mit Ihnen machen, aber ich will nicht, dass gute Menschen durch einen Mord zu bösen Menschen werden. Also, nehmen Sie endlich Ihre Beine in die Hand! Wenn man mich fragt, wohin Sie verschwunden sind, weiß ich von nichts.«
    Dumpf kratzte er seinen letzten Trotz zusammen. »Ich lass mich doch nicht aus meinem eigenen Haus schmeißen«, nuschelte er.
    »Ihr Haus, Ihre Frau und Ihre Tochter haben Sie längst verloren. Und Ihren Enkel, Herr Micker. Hier werden Sie heute Nacht keine Freunde finden. Ich biete Ihnen Ihr Leben. «
    »Schuld war nur der Suff!«, brach es aus Micker heraus. »Ohne den Schnaps wär das nie passiert!«
    »Aber wer hat den Schnaps denn getrunken? Und noch einen und noch einen?«, fragte sie. »Sie haben sich den ganzen Tag auf dem Jahrmarkt volllaufen lassen, bis Sie der Suff in den Klauen hatte.« Tiffany war es eiskalt ums Herz.
    »Es tut mir leid.«
    »Das reicht nicht, Herr Micker. Das reicht hinten und vorne nicht. Verschwinden Sie, und gehen Sie in sich, und wenn Sie als besserer Mensch wieder zurückkommen, haben Sie vielleicht das Glück, dass die Leute Sie mit einem Hallo oder wenigstens mit einem Kopfnicken begrüßen.«
    Tiffany ließ ihn nicht aus den Augen, schließlich kannte sie ihren Pappenheimer. In ihm kochte es. Er schämte sich, er wusste weder ein noch aus, er war aufgebracht – lauter Umstände, unter denen die Mickers dieser Welt gern einmal die Fäuste fliegen lassen.
    »Ich rate Ihnen dringend davon ab, Herr Micker«, sagte sie warnend. »Haben Sie eine Ahnung, was passiert,

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