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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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keiner für sie. Heute drehte sich alles um die wunderbarste Attraktion der Welt.
    Wobei gesagt werden muss, dass der Jäte-Jahrmarkt für die Kreidelandbewohner nur deshalb eine Weltattraktion darstellte, weil die meisten noch nie weiter als vier Meilen aus ihrem Heimatdorf herausgekommen waren. Wenn man im Kreideland zu Hause war, begegnete man auf dem Jahrmarkt jedem, den man kannte 2 . Außerdem konnte man hier wunderbar auf Brautschau gehen. Die Mädchen zogen ihre schönsten Kleider an, während die Jungen ihre hoffnungsvollsten Mienen aufsetzten und sich die Haare mit billiger Pomade oder – im Normalfall – mit Spucke an den Kopf klatschten. Wer sich für Spucke entschied, war meistens sehr viel besser dran. Die Pomade war nämlich so billig, dass sie bei warmem Wetter zerlief und die sehnlichst herbeigewünschte Wirkung auf das weibliche Geschlecht prompt zunichtemachte. Umso unwiderstehlicher war ihre Anziehungskraft auf Fliegen, die sich an den fettigen Haaren gütlich taten.
    Da man dieses Ereignis aber kaum den »Jahrmarkt, auf den man geht, um einen Kuss zu erhaschen oder mit ein bisschen Glück sogar das Versprechen auf einen zweiten« nennen konnte, hieß er der Einfachheit halber nur der Jäte-Jahrmarkt.
    Das Große Jäten fand im Spätsommer statt und dauerte drei Tage, eine Zeit, in der fast überall im Kreideland die Arbeit ruhte. Heute war der dritte und letzte Tag, und eine alte Volksweisheit besagte, dass für jeden, der bis dahin noch keinen Kuss abbekommen hatte, der Ofen aus war. Tiffany war ungeküsst geblieben, aber sie war ja auch die Hexe . Wer wollte schon das Risiko eingehen, in weiß der Himmel was verwandelt zu werden?
    Bei mildem Wetter schliefen die Menschen oft und gerne draußen, unter den Sternen oder auch unter den Büschen. Wer also in der Nacht einen Spaziergang machen wollte, musste gut aufpassen, dass er nicht über irgendwelche fremden Füße stolperte. Deutlicher ausgedrückt: Es herrschte die Art von munterem Treiben, die Nanny Ogg – eine Hexe, die bereits drei Ehemänner verschlissen hatte – als »Alleinunterhaltung zu zweit« bezeichnete. Zu schade, dass Nanny oben in den Bergen wohnte. Der Jäte-Jahrmarkt wäre ganz nach ihrem Geschmack gewesen, und Tiffany hätte zu gern ihr Gesicht beim Anblick des Riesen gesehen. 3
    Er – denn dass er ein Er war, stand unzweifelhaft fest – war vor Tausenden von Jahren aus der Grasnarbe geschnitten worden. Die weiße Silhouette im grünen Gras stammte aus einer Zeit, als die Menschen in einer gefährlicheren Welt um ihr Überleben kämpfen und … fruchtbar sein mussten.
    Hosen schienen in jenen Tagen jedoch noch nicht erfunden worden zu sein. Dabei griff die Bezeichnung »hosenloser Riese« bei weitem zu kurz. Seine Hosenlosigkeit war eine Welt für sich. Es war unmöglich, auf der kleinen Straße am Fuß der Hügel entlangzugehen, ohne dass einem seine bodenlose Hosenlosigkeit förmlich entgegenprallte. Es handelte sich eindeutig um die Figur eines Mannes und definitiv nicht um die einer Frau.
    Alle, die zum Großen Jäten kamen, brachten eine kleine Schaufel oder auch nur ein Messer mit, um das Unkraut zu jäten, das die Umrisslinien im Laufe des Jahres überwuchert hatte. Stück um Stück arbeiteten sie sich die Hügelflanke hinunter, bis der Kalkstein wieder leuchtend weiß zum Vorschein kam und der Riese in seiner ganzen Manneskraft hervortrat.
    Wenn die jungen Mädchen an dem Riesen rupften und zupften, ging es nie ohne Gekicher ab.
    Wegen des Gekichers und der Umstände dieses Gekichers musste Tiffany unwillkürlich an Nanny Ogg denken, die – ein breites Grinsen im Gesicht – meistens dicht hinter Oma Wetterwachs zu finden war. Die alte Frau galt allgemein als kreuzfidel und puppenlustig, doch es steckte weit mehr in ihr. Und obwohl Nanny offiziell nie ihre Lehrerin gewesen war, hatte Tiffany sich so einiges von ihr abgeschaut. Bei diesem Gedanken schmunzelte sie leise. Nanny Ogg kannte die alte, dunkle Magie – eine Magie, die gänzlich ohne Hexen auskam, die den Menschen und der Landschaft von Natur aus innewohnte. Bei der es um Angelegenheiten wie Tod, Ehe und Verlobung ging. Und um Versprechen, die Versprechen blieben, auch wenn niemand sie hörte. Und um all die Dinge, die dazu führten, dass die Leute auf Holz klopften und nie, niemals unter einer schwarzen Katze hindurchgingen.
    Um das zu verstehen, brauchte man keine Hexe zu sein. Es waren besondere Augenblicke, in denen die Welt um einen herum irgendwie

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