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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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ihm dankbar zu und sah Roland an. »Dein Vater wollte, dass du diese Mappe bekommst«, sagte sie. »Ihr Inhalt ist für dich wahrscheinlich kostbarer als all das Geld. Aber schau sie dir lieber erst an, wenn du allein bist.«
    Er drehte die Mappe hin und her. »Was ist das?«
    »Eine Erinnerung«, antwortete Tiffany. »Nur eine Erinnerung. «
    Der Feldwebel trat vor und leerte einen schweren Lederbeutel auf dem Tisch aus, mitten zwischen den Gläsern und Blumen. Die Gäste schnappten nach Luft.
    Meine Hexenschwestern beobachten mich mit Argusaugen, dachte Tiffany. Sie und so ziemlich alle anderen Menschen, die ich kenne und die mich kennen. Jetzt kommt es darauf an, dass ich das Richtige tue. Und ich muss es so überzeugend tun, dass man es nie wieder vergisst.
    »Ich denke, du solltest es behalten, Roland«, sagte sie. Er machte ein erleichtertes Gesicht, aber Tiffany war noch nicht fertig: »Allerdings hätte ich ein paar kleinere Bitten im Namen anderer an dich.«
    Lätitia puffte ihrem frisch Angetrauten in die Rippen, und er breitete die Hände aus. »Heute ist mein Hochzeitstag! Wie könnte ich da irgendeinen Wunsch abschlagen?«
    »Das Mädchen Amber Micker braucht eine Mitgift. Eine Mitgift, die so reichlich bemessen sein sollte, dass ihr Freund das Lehrgeld für einen Schneidermeister aufbringen kann. Du weißt es vielleicht gar nicht, aber er hat die Hochzeitsrobe deiner jungen Braut genäht. Hast du je eine schönere gesehen?«
    Beifall brandete auf, begleitet von Pfiffen und witzigen Bemerkungen von Rolands Freunden wie: »Eine schönere was? Frau oder Robe?« Als sich die Begeisterung wieder gelegt hatte, fuhr Tiffany fort: »Außerdem möchte ich dich herzlich darum bitten, mir dein Wort zu geben, dass du, wenn in Zukunft ein Junge oder Mädchen aus dem Kreideland mit einem ähnlichen Anliegen an dich herantritt, ihren Wunsch wohlwollend prüfst. Ich denke, du wirst mir beipflichten, dass ich von dir wesentlich weniger verlange, als ich dir zurückgebe. «
    »Tiffany, ich bin überzeugt, das trifft zu«, antwortete Roland. »Aber ich würde mich sehr wundern, wenn das tatsächlich schon alles gewesen wäre.«
    »Wie gut du mich doch kennst«, sagte Tiffany. Roland schoss das Blut in die Wangen.
    »Ich möchte eine Schule. Hier bei uns im Kreideland. Mit diesem Gedanken trage ich mich schon sehr lange – auch wenn ich anfangs selbst nicht wusste, was mir da genau vorschwebte. Auf der Heimfarm haben wir eine alte Scheune, die zurzeit nicht genutzt wird. Ich denke, in ein, zwei Wochen könnte man sie einigermaßen vernünftig herrichten. «
    »Aber es kommen doch alle paar Monate fahrende Lehrer durchs Land«, wandte der Baron ein.
    »Ja, ich weiß. Aber die taugen nichts. Sie lehren kein Wissen, sie lehren nur Fakten. Als würde man versuchen, jemandem etwas über den Wald beizubringen, indem man ihm eine Säge zeigt. Ich möchte eine richtige Schule, in der man Lesen und Schreiben lernt – und vor allem Denken, damit jeder herausfinden kann, wo seine Begabungen liegen. Wenn man einen Beruf ergreift, der einem wirklich liegt, ist es gut für das ganze Land. Aber leider erkennen die Leute ihr Talent oft erst, wenn es schon zu spät ist.« Dabei wandte sie den Blick absichtlich vom Feldwebel ab. Erfreut stellte sie fest, dass ihre kleine Rede im Saal ein Raunen hervorgerufen hatte. Sie setzte sich darüber hinweg. »In der letzten Zeit habe ich mir manchmal sehnlichst gewünscht, die Vergangenheit ändern zu können. Ich musste einsehen, dass ich das nicht kann. Aber die Gegenwart kann ich ändern, damit sie – wenn sie zur Vergangenheit geworden ist – eine Vergangenheit ist, die sich gelohnt hat. Und ich möchte, dass die Jungen etwas über Mädchen erfahren und die Mädchen etwas über Jungen. Beim Lernen geht es darum herauszufinden, wer man ist, was man ist, wo man ist und worauf man steht, worin man gut ist und was hinter dem Horizont liegt. Um alles eigentlich. Es geht darum, dass man seinen Platz im Leben findet. Ich habe meinen Platz gefunden, und ich möchte, dass alle anderen ihren ebenfalls finden. Ach, und dürfte ich als ersten Lehrer für unsere Schule Preston vorschlagen? Er weiß sowieso schon alles.«
    Preston nahm den Helm ab und verneigte sich sehr tief. Der ganze Saal lachte.
    Tiffany fuhr fort: »Und wenn er ein Jahr unterrichtet hat, soll er dafür als Belohnung so viel Geld bekommen, dass er sich die Buchstaben hinter seinem Namen leisten und Arzt werden kann. Hexen können auch

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