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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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etwas fragen, Oma? Hättet ihr mich wirklich getötet?« Die Mienen der anderen Hexen veränderten sich.
    Oma Wetterwachs ließ sich Zeit mit ihrer Antwort. »Ich will es mal so sagen, junge Frau: Nach Möglichkeit hätten wir es nicht getan. Aber alles in allem sind wir der Meinung, dass du heute echte Frauenarbeit geleistet hast, Tiffany. Die Hexe steht immer in der Mitte. Aber du stehst so mittig in der Mitte, dass sich dein ganzes Revier um dich zu drehen scheint. Du bist deine eigene Herrin, aber wenn du nicht bald jemanden in die Lehre nimmst, vergeudest du dein Talent. Wir lassen dieses Revier in den besten Händen zurück. «
    Die Hexen klatschten, und einige der anderen Gäste klatschten mit, auch wenn sie den Sinn dieser wenigen Sätze nicht verstanden hatten. Eines allerdings begriffen sie ganz genau: dass diese größtenteils ziemlich alten, erfahrenen, wichtigen und angsteinflößenden Hexen Tiffany Weh ihren Respekt zollten – einer von ihnen , ihrer Hexe. Und dass sie eine sehr wichtige Hexe war. Also musste das Kreideland ein sehr wichtiges Land sein. Das hatten sie natürlich schon immer gewusst, aber es tat trotzdem gut, es auch mal gewürdigt zu sehen. Voller Stolz drückten sie den Rücken durch.
    Frau Prust nahm noch einmal den Hut ab und sagte: »Und trau dich ruhig mal wieder in die Stadt, Tiffany Weh. Ich denke, ich darf dir einen dreißigprozentigen Rabatt auf alle Boffo-Produkte zusichern, außer auf kurzlebige Verbrauchsartikel und verderbliche Waren. Ein Angebot, das sich sehen lassen kann.«
    Nachdem die Hexen ein letztes Mal den Hut gelüpft hatten, mischten sie sich wieder unter die Gäste.
    »Da hast du dich ja mal wieder schön in das Leben anderer Leute eingemischt«, sagte Preston, doch als sie zu ihm herumfuhr, wich er lachend zurück und fügte hinzu: »Aber auf eine gute Weise, Tiffany. Du bist die Hexe , Tiffany. Du bist die Hexe! «
    Man trank auf das Brautpaar, man schmauste, tanzte und lachte, man freundete sich an, man wurde müde, und um Mitternacht flog Tiffany mit ihrem Besen allein über die Kreidehügel. Sie sah hinauf ins Universum und hinunter auf das Stückchen vom Universum, das ihr gehörte. Sie war die Hexe, die hoch über allem schwebte – wenn auch mit stramm angezogenem Ledergurt.
    Der Besen hob und senkte sich sacht, getragen von lauen Lüften. Von Müdigkeit und Dunkelheit umfangen, breitete sie die Arme aus, und in diesem einen Augenblick, während die Welt sich einfach weiterdrehte, trug Tiffany Weh das Mitternachtskleid.
    Sie blieb so lange in der Luft, bis die Sonne den Horizont mit Licht überzog. Und sie wurde von Vogelgesang geweckt. Überall im Kreideland stiegen wie an jedem Morgen tirilierend die Lerchen zum Himmel auf. Und sie sangen tatsächlich aus voller Brust! Sie stoben am Besen vorbei, ohne Tiffany zu beachten, die gebannt ihrem Gesang lauschte, bis auch der letzte Vogel im leuchtenden Blau verschwunden war.
    Sie landete, bereitete einer ans Bett gefesselten alten Dame das Frühstück, fütterte ihre Katze und machte sich auf den Weg zu einem Hausbesuch bei den Boxers, um nach Trivials gebrochenem Bein zu sehen. 30 Unterwegs wurde sie von einer Nachbarin von Fräulein Schwenk abgefangen, weil die gute Frau scheinbar über Nacht das Laufen verlernt hatte. Tiffany konnte ihr aber zum Glück helfen, indem sie sie darauf aufmerksam machte, dass sie unglücklicherweise beide Beine durch dasselbe Schlüpferbein gesteckt hatte.
    Dann ging sie hinunter auf die Burg, um zu sehen, was sonst noch anlag.
    Denn schließlich war sie die Hexe.

Epilog
    Mitternacht bei Tage
    Es war wieder Jäte-Jahrmarkt: derselbe kreischende Leierkasten, das Froschtauchen, die Wahrsagerei, das Gelächter, die Taschendiebe (die sich an die Taschen einer Hexe nicht herantrauten). Nur das Käserollen fiel in diesem Jahr aus, darüber waren sich alle einig gewesen. Tiffany nickte jedem zu, den sie kannte, also allen, und genoss den Sonnenschein. War tatsächlich ein Jahr vergangen? Es war so viel geschehen, dass alles verschwamm, wie die Geräusche des Jahrmarkts.
    »Schönen guten Tag, Fräulein.«
    Es war Amber, mit ihrem Freund – ihrem Ehemann …
    »Jetzt hätte ich Sie fast nicht erkannt«, sagte Amber fröhlich. »So ganz ohne den spitzen Hut.«
    »Heute wollte ich mal einfach nur Tiffany Weh sein«, sagte Tiffany. »Es ist schließlich Feiertag.«
    »Aber die Hexe sind Sie trotzdem?«
    »Oh ja, ich bin die Hexe, aber eben nicht unbedingt der Hut.«
    Ambers Mann

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