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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sie keine Hexe geworden war. Ohne ihre Zustimmung lief im Kreideland überhaupt nichts — jedenfalls nicht länger als zehn Minuten.
    Deshalb war Tiffany als Hexe vollkommen auf sich allein gestellt.
    Abgesehen davon, dass sich die Bewohner der Kreide nicht mit Hexen auskannten, konnte sie nun auch nicht mehr auf die Unterstützung der Berghexen wie Nanny Ogg, Oma Wetterwachs und Frau Grad zählen. Dabei wären sie ihr mit Sicherheit zu Hilfe gekommen, wenn Tiffany sie darum gebeten hätte, ganz bestimmt . Und sie hätten auch nichts gesagt, sondern sich bloß ihren Teil gedacht, nämlich, dass Tiffany mit der Verantwortung nicht fertig wurde, dass sie der Aufgabe wohl nicht gewachsen war, dass sie überfordert oder schlicht und ergreifend nicht gut genug war.
    »Sie, Fräulein?« Ein nervöses Kichern. Tiffany drehte sich um. Vor ihr standen zwei kleine Mädchen in ihren neuen Sonntagskleidern und Strohhüten. Sie schienen etwas auf dem Herzen zu haben, auch wenn ihnen ein wenig der Schalk aus den Augen blitzte. Tiffany musste nur kurz überlegen, dann lächelte sie.
    »Ach, Becky Pardon und Nancy Aufrecht, richtig? Na, ihr zwei beiden? Was kann ich für euch tun?«
    Becky Pardon zog verlegen ein Blumensträußchen hinter ihrem Rücken hervor und hielt es ihr hin. Tiffany wusste natürlich sofort, was es damit auf sich hatte. In ihrem Alter hatte sie für die älteren Mädchen auch welche gebunden, weil das eben zum Jäte-Jahrmarkt dazugehörte: ein kleiner Strauß selbstgepflückter Wiesenblumen, zusammengehalten von – und das war das Entscheidende, das Magische – einigen frisch aus dem weißen Kalkstein gerupften Grashalmen.
    »Wenn Sie das heute Nacht unter Ihr Kopfkissen legen, träumen Sie von Ihrem Liebsten«, sagte Becky Pardon mit ernster Miene.
    Tiffany nahm den schon etwas welken Strauß behutsam entgegen. »Mal sehen, was wir hier haben«, sagte sie. »Honigraspeln, Damendaunen, siebenblättriger Klee – der bringt sehr viel Glück –, ein Zweiglein Greisenhöschen, Liebesschlüsselchen, ach, und ein paar Stängel Herzschmerzlose und …« Sie starrte auf die kleinen rot-weißen Blüten.
    Die Mädchen fragten: »Haben Sie was, Fräulein?«
    »Ein Vergiss-mein-G′sicht 7 !«, sagte Tiffany etwas schärfer als beabsichtigt. Um sich ihre Irritation nicht anmerken zu lassen, fuhr sie rasch im munteren Plauderton fort: »Die kommen in unserer Gegend nicht oft vor. Müssen wohl aus irgendeinem Garten hierher eingeschleppt worden sein. Und ihr wisst doch sicher auch, womit ihr den Strauß zusammengebunden habt, oder? Das sind Binsen, aus denen man früher Binsendochtkerzen gemacht hat. Was für eine nette Überraschung. Ich danke euch sehr. Dann wünsche ich euch noch viel Spaß auf dem Jahrmarkt …«
    Becky hob die Hand. »Sie? Fräulein?«
    »Gibt es noch etwas, Becky?«
    Die Kleine bekam einen roten Kopf und beriet sich rasch mit ihrer Freundin. Noch eine Spur röter, aber wild entschlossen, drehte sie sich wieder zu Tiffany um.
    »Fragen ist doch nicht verboten, oder? Man kriegt doch keinen Ärger, bloß weil man was fragt?«
    Jetzt kommt‘s, dachte Tiffany: Wie werde ich Hexe, wenn ich groß bin? Das wollten die kleinen Mädchen immer von ihr wissen. Sie glaubten, der Hexenberuf sei ein ständiges Besenreiten. Laut sagte sie: »Von mir hast du jedenfalls nichts zu befürchten. Frag ruhig.«
    Becky Pardon blickte auf ihre Stiefel. »Haben Sie eigentlich auch süße Triebe?«
    Ein weiteres Talent, das man als Hexe benötigt, ist die Fähigkeit, sich seine Gedanken nicht ansehen zu lassen. Vor allem durfte man es unter gar keinen Umständen dazu kommen lassen, dass einem die Gesichtszüge entgleisten. Ohne das leiseste Schwanken in der Stimme und ohne den geringsten Hauch eines verlegenen Lächelns antwortete Tiffany: »Das ist eine sehr interessante Frage, Becky. Verrätst du mir, warum du das wissen möchtest?«
    Nachdem sie die Frage nun gewissermaßen in den öffentlichen Raum gestellt hatte, wirkte die Kleine richtig erleichtert.
    »Na ja, ich hab meine Oma gefragt, ob ich Hexe werden kann, wenn ich groß bin, und da hat sie gesagt, dass ich das bestimmt nicht wollen würde, weil Hexen keine süßen Triebe haben.«
    Zwei Paar ernste Eulenaugen blickten Tiffany erwartungsvoll an. Ihr blieb nicht viel Zeit zum Überlegen: Es sind Mädchen vom Land, die mit Sicherheit schon einmal gesehen haben, wie Katzen und Hunde ihre Junge bekommen, dachte sie. Bestimmt haben sie auch schon die Geburt eines

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