Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
Vom Netzwerk:
wenn wir Kuchen gegessen haben, dann können wir hier unten einen Verdauungsspaziergang machen.“
    „Ja, prima “, lachte Rike, und zusammen mit Achim, der Hannah auf dem Arm trug, folgte sie den Wolters bis zur Mitte des Flurs, wo rechts eine Treppe nach oben führte. Der Doktor stieg, über die Geschichte des Hauses dozierend, als erster hinauf. Er stieg zügig, seinen Knien schien es trotz des Regens besser zu gehen. Oben gab es den gleichen Flur wie unten, in einem warmen Goldton gestrichen, mit einem orientalisch gemusterten Teppichboden ausgelegt und mit Landschaftsaufnahmen behängt.
    Von dort ging es ins Wohnzimmer, das groß genug für eine Essecke sowie drei ausladende, rauchblaue Ledersofas war. Zwischen zwei Fenstern stand ein Klavier, ein schwarzes, ve rschnörkeltes Möbelstück mit gedrechselten, zierlichen Säulen. Der Esstisch war liebevoll gedeckt und mit Blumen dekoriert.
    Frau Wolter hatte einen köstlichen Kirschkuchen geb acken, und auch ihre Fingernägel waren fast sauber. Der Doktor redete viel und trank eine Tasse Kaffee nach der anderen - auch sein Magen schien sich in den letzten zwei Wochen erholt zu haben.
    Kirschkuchen essend hörte Rike mit halbem Ohr Wolter eine Geschichte über die uralten Bäume vor dem Haus erzählen, als sie plötzlich das Gefühl hatte, angestarrt zu werden. Sie sah auf, und ihr Blick traf prompt auf des Doktors Blick, der wohlwollend auf ihr geruht hatte und jetzt blit zschnell zu seiner Frau hinübersprang.
    Im Moment konnte Rike nicht entscheiden, ob ihr dieser Blick gefallen hatte oder nicht. Sie ließ sich noch ein Stück Kuchen geben und sah den Doktor demonstrativ vorerst gar nicht mehr an. Unterdessen begann Achim unvermutet, über ihr Haus zu reden, über die geplanten Dachgauben und über den Keller.
    „Wir haben den Kellerboden neu betonieren l assen, weil er voller Risse war“, führte Achim aus und schob mit der Kuchengabel die übrig gebliebenen Krümel auf seinem Teller hin und her. „Aber der neue Beton ist auch schon wieder gerissen. Haben Sie eine Ahnung, voran das liegen könnte?“
    Rike sah ihn überrascht von der Seite an. Er wirkte so angespannt, als laufe er über ein Minenfeld. Wieso stellte er dem Doktor solche Fragen? War Wolter vielleicht diplomierter Tiefbauingenieur? Nein, ging ihr plötzlich auf, Achim, der seinen Blick nicht vom Teller nahm, wollte etwas ganz anderes wissen!
    Der Doktor schob die gewaltige Brille ein wen ig auf der Nase zurück. „Das weiß ich wirklich nicht. Sie sollten den Untergrund untersuchen lassen. Nicht, dass das Haus auf einem Hohlraum steht ... oder auf Sumpfgebiet.“
    Er trank einen Schluck Kaffee und warf Rike über die Tasse hinweg einen besorgten Blick zu. Rike schaute weg.
    „Ach was, das Haus ist 150 Jahre alt“, hörte sie Achim widersprechen. „Das muss eine andere Ursache haben.“
    „Sie meinen, das könnte was mit dem blauen Licht zu tun haben?“ Wolters Stimme klang erstaunt. „Na, Sie wissen doch - der blaue Blitz, der da angeblich vor 200 Jahren in den B oden geschlagen ist.“
    Was würde Achim wohl darauf antworten? Wo er doch nicht darüber reden durfte. Achim war immer noch mit seiner Kuchengabel beschäftigt. „Nein, eigentlich meine ich das nicht. Es muss eine logische Erklärung geben.“
    „Vielleicht auch nicht. Schließlich sind die Leute nicht ohne Grund in dem Haus verrückt geworden. Haben Sie irgendwas Merkwürdiges beobachtet, seit Sie eingezogen sind?“
    Jetzt schaute Rike den Doktor an. War er eine Art Hobbyverhaltensforscher, der miterleben wollte, unter welchen Umständen Menschen den Verstand verlieren? Wolter wandte den Kopf - und (hatte sie das richtig gesehen?!) zwinkerte ihr zu!
    Achim warf die Gabel auf den Teller, das es nur so klapperte, und versicherte mit Nachdruck: „Nein, wir haben noch keine Gespenster in unserem Haus entdeckt!“
    Rike ließ pflichtschuldigst ein künstliches Lachen hören. „Nein, wirklich nicht.“
    „Na prima“ , brummte Wolter und fügte hinzu: „Wissen Sie was? Ich brauche ein bisschen Bewegung. Sehen wir uns doch mal die Praxisräume an. Ich hab auch Tiere da unten, über die  wird sich die kleine Hannah bestimmt freuen!“
    Also stieg man gemeinsam die Treppen wieder hinab ins Erdgeschoss. Wolter zeigte ihnen zuerst das bescheidene Wartezimmer, den Untersuchungsraum mit dem h ohen Metalltisch in der Mitte, sowie die beiden Operationsräume in steriler Kacheloptik, mit den vielen Metallmöbeln und den zahlreichen

Weitere Kostenlose Bücher