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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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benutzen.“
    „Ich zeige Ihnen, wo sie ist. Kommen Sie mit“ , bat Wolter und war schneller an der Wohnzimmertür als Rike.
    Sie folgte ihm durch den Flur. Irgendwo links bog er in einen kleinen Gang ab und öffnete eine Tür. Als sie an ihm vorbeischlüpfen wollte, hielt er sie kurz am Arm fest und sah sie mit ernstem Blick an. „Wenn Sie je mit jemandem über ... über irgendwelche ,Vorfälle‘ in Ihrem Haus reden wollen, kommen Sie bitte zu mir.“
    Rike hob fragend die Augenbrauen, als wüsste sie nicht, wovon er sprach, entzog ihm ihren Arm und machte die Tür vor seiner Nase zu. Dann merkte sie, dass sie zitterte. Der Mann wusste etwas! Aber der Mann durfte nichts wissen! Niemand, der nicht im Haus wohnte, dur fte etwas wissen! Niemand, niemand, niemand! Denn sonst ... sonst ... ja was sonst? Sie hatte keine konkrete Vorstellung, aber es würde furchtbar sein, was sonst passierte!
    Eine Weile stand sie reglos hinter der Toilettentür und fühlte sich wie von der Welt abg eschnitten. Doch plötzlich kam ihr die Idee, dass Wolter gar nichts wusste, er spekulierte nur! Er wusste lediglich, dass es im Haus Selbstmord und Wahnsinn gegeben hatte, und daraus schlussfolgerte er, dass die Ursache dafür im Haus zu finden sein musste. Genau. Er wusste gar nichts.
    Erleichtert entleerte Rike ihre Blase. Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer kam sie an zwei Türen vorbei, die von dem breiten Flur mit dem orientalisch gemusterten Teppichboden a bgingen. Als sie die erste Tür passierte, spürte sie nichts, aber an der zweiten kroch ihr plötzlich eine Gänsehaut über den Nacken zum Kopf hoch.
    Es war, als ob ... als ob sie irgendetwas ihr Bekanntes wahrgenommen hätte, das gleichzeitig eine schreckliche Assoziation heraufbeschwor. Was war es gewesen? Ein G eräusch? Eine eingebildete Berührung? Ein Geruch? Ja, ein Geruch ... die Andeutung eines Geruchs ... ein blitzschnell vorüberwehender Hauch eines Geruchs. Nach frisch gemähtem Gras.
    Rike sah sich um. Himmel noch mal, was redete sie sich ein! Wahrscheinlich hatten die Wo lters am Vortag ihren Rasen gemäht, und der Geruch drang durch irgendein offenes Fenster in den Flur!
    Aber tief in ihr blieb eine Erschütterung zurück, und als sie das Wohnzimmer betrat, vermied sie, so gut es ging, jeden Blickkontakt mit dem Doktor und begleitete ihn und Achim auch nicht durchs Haus, um sich umgebaute Zimmer anz usehen, sondern leistete Frau Wolter und Hannah in der Küche Gesellschaft und unterhielt sich mit ihr über hausfrauliche Tätigkeiten und Gartenarbeit.
    Als Rike und Achim sich schließlich von den Wolters verabschiedeten, regnete es immer noch.
    Rike sah dem Doktor nur flüchtig ins Gesicht, lächelte nur flüchtig und berührte seine von hervortretenden Adern überzogene Hand für höchstens zwei Sekunden. Während sie den einen Kilometer nach Hause fuhren, sagte Achim nichts. Der Abend endete vor dem Fernseher in unbehaglichem Schweigen.
    Zwei Tage später, am Mittwoch, kniete Rike auf dem Teppichboden in Ha nnahs Zimmer und räumte Bausteine in eine Plastikkiste. Sie hörte den Regen auf das Dach über ihr prasseln. Hannah saß einen Meter von ihr entfernt auf dem Boden und versuchte verbissen, einem Teddybären eine Jacke anzuziehen, die zu klein für ihn war. Hannah schaffte es trotzdem und ließ daraufhin ein triumphierendes Lächeln sehen, das, so schien es Rike, etwas Wildes, wenn nicht gar Bösartiges hatte.
    Und plötzlich kam sie sich vor wie die Hauptdarstellerin in einem Horrorfilm, und alle Z uschauer fragten sich mittlerweile, warum dieses beschränkte Weib nicht endlich sein Kind packte, aus dem Haus rannte und nie mehr zurückkehrte! Aber keiner der Zuschauer saß in diesem Augenblick in genau diesem Zimmer und hatte das Gefühl, in einer völlig unwirklichen Atmosphäre gefangen zu sein, aus der er sich gar nicht befreien durfte !
    Neben ihr summte Hannah ein Lied, während sie vehement Stofftiere aus einer Kiste räumte. Ein kleiner Elefant flog haarscharf an Rikes Kopf vorbei.
    „Hannah, was soll das?! Was meinst du wohl, warum ich das ganze Zeug wegräume?! Ich will hier staubsaugen! Leg bitte die Tiere in die Kiste zurück!“
    Hannah, deren blondes Haar oben auf dem Kopf zu einem kurzen, gelockten Pferd eschwanz zusammen gebunden war, schien gar nicht zuzuhören. Sie stand sie auf und beugte sich über die Kiste, wobei sie sich mit einer Hand auf der linken Kante abstützte und mit der anderen in den Tiefen der Stofftiersammlung

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