Das mittlere Zimmer
unbekannten und Angst einflößenden Instrumenten aller Art. Sogar ein Röntgen- und ein Ultraschallgerät waren vorhanden.
Auf der rechten Seite des Erdgeschosses gab es so etwas wie eine Kranke nstation: Hunde, Katzen und Meerschweine erholten sich dort von den Strapazen einer Operation, aber gut die Hälfte der unterschiedlich großen Käfige war leer.
Von den Katzen und Meerschweinchen war Hannah begeistert, aber von dem Sch äferhund mit der weißhaarigen Schnauze, der in einem großen Käfig flach atmend auf der Seite lag, hielt sie ängstlich Abstand. Der Hund hatte den halben Unterleib bandagiert, die Zunge hing ihm aus dem Hals, und er machte insgesamt keinen guten Eindruck.
„Das ist Nero.“ Wolter deutete auf den Hundekäfig, runzelte die Stirn und kratzte sich im Bart. „Ein Bauer wollte ihn einschläfern lassen, weil der Hund anfing zu hinken. Gut, das Tier ist 14 Jahre alt, aber bis auf den Hüftschaden ziemlich fit. Ich hab mit dem Bauern ausgemacht, dass ich den Hund behalte. Ich hab ihn vorgestern operiert. Ich wette, der läuft in ein paar Tagen wieder munter durch die Gegend.“
Das rechnete Rike dem Doktor insgeheim hoch an. Sie hätte sich eigentlich selbst gern ein Haustier angeschafft, aber Achim mochte keine Haustiere. Genau genommen mochte er übe rhaupt keine Tiere. Sein Blick wanderte denn auch eher gelangweilt über die Käfige, und er meinte: „Ich könnte jetzt ein Tässchen Kaffee vertragen.“
Da Hannah unbedingt noch bei den Tieren bleiben wollte, schickte Frau Wolter die Männer und Rike nach oben und holte für Hannah ein Kaninchen aus dem Käfig.
Im Wohnzimmer ließ sich Wolter auf dem ersten, Rike und Achim nebeneinander auf dem zweiten der rauchblauen Sofas nieder. Sie plauderten zunächst über Tierarzthonorare, dann über Ärzte im Allgemeinen und gerade, als das Gespräch in Richtung Politik zu laufen drohte, wechselte der Doktor unvermutet das Thema.
„Wie und wo haben Sie beide sich eigentlich kennen gelernt?“ , wollte er wissen und lächelte freundlich. Über seinem hellblauen Hemd trug er eine dunkelblaue Strickjacke, die er jetzt vollständig aufknöpfte.
Rike warf Achim einen schnellen Seitenblick zu. Auch er sah sie an. Nicht mehr so dista nziert. Ein wenig weicher. Sie griff nach seiner Hand und drückte sie leicht. Achim drückte genauso zart zurück.
Rike fühlte sich erleichtert. Wenn sie nur zusammenhielten, würde schon alles gut werden.
„Ganz unromantisch im Baumarkt“, erklärte Rike und lachte. „Ich kam nicht an das Schleifpapier im oberen Regal. Da bog ein netter, blonder Mann in den Gang ein, und ich fragte ihn, ob er mir wohl das Schleifpapier runterholen könnte. Dafür wollte er meine Handynummer haben. Ich gab sie ihm, und er rief einen Tag später an ... ja, so war das.“
„Wie originell “, bemerkte der Doktor höflich. Aber klang es nicht, als meine er das genaue Gegenteil?
Bevor Rike ihn nach seiner ersten Begegnung mit Helga fragen konnte, tauchte diese mit Hannah in der Wohnzimmertür auf.
„Hannah hat Durst“, informierte Frau Wolter die im Wohnzimmer Sitzenden, als handele es sich um die Sensationsnachricht des Tages. Rike winkte ihrer Tochter zu, die sich kichernd abwandte und hinter Frau Wolter her in die Küche lief.
Rike sah den schmunzelnden Doktor an und fragte: „Haben Sie auch Kinder?“
Wolter schlug lässig ein Bein über das andere, verschränkte beide Hände um sein Knie und erläuterte in sachlichem Tonfall: „Nein, wir haben keine Kinder. Ich bin seit einem Unfall in meiner Jugend zeugungsunfähig.“
„Wie schrecklich“ , befand Rike, und konnte sich nur im allerletzten Moment beherrschen zu fragen, um was für einen Unfall es sich gehandelt hatte. Das wollte sie nun wirklich nicht wissen.
„Das muss furchtbar für Sie beide gewesen sein“ , bemerkte Achim, aber mitfühlend im eigentlichen Wortsinn klang es nicht. Und nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Rike, was meinst du, sollten wir uns nicht langsam auf den Heimweg machen?“
Wolter nahm ihr die Antwort ab. „Ach, bleiben Sie doch noch ein halbes Stündchen, ich muss Ihnen unbedingt zeigen, wie ich die Küche und das Bad umgebaut habe. Es war nämlic h gar nicht so einfach, aus dem Riesenhaus hier ein gemütliches Heim für zwei Leute zu machen. Hier haben mal vier Familien gewohnt.“
Ein geschickter Schachzug. Achim war garantiert neugierig geworden.
„Okay“, meinte Rike, „aber vorher würde ich gerne mal Ihre Toilette
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