Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
Vom Netzwerk:
Da aber nichts lief, was sie wirklich fesselte, dachte sie immer weiter nach. Immer im Kreis. Es kam nichts dabei heraus. Sie sollte schlafen gehen. Aber es war noch so früh, dass sie sich mit Kirschlikör bewusstlos würde trinken müssen, um einschlafen zu können.
    Statt dessen rief sie zum fünften Mal ihre Mutter an, um sich nach Hannah zu erkundigen: Hannah schlief bereits selig und tief. Ihre Mutter erzählte von dem Anwalt, den ihr Vater unbedingt einschalten wollte, um das Krankenhaus zu verklagen, und Rike ließ sich ihren Vater ans Telefon holen und versuchte mit den unterschiedlichsten Argumenten, ihn von seinem Vorhaben abzubringen.
    Plötzlich bemerkte sie aus dem Augenwinkel heraus, dass Achim in der Wohnzimmertür au fgetaucht war. Als er verstand, um welches Thema sich das Gespräch drehte, kam er näher, nahm Rike den Hörer aus der Hand und verlangte in autoritärem Ton: „Hallo Fritz, ich will nicht, dass du eigenmächtig irgendwelche Schritte unternimmst, solange wir nicht darüber gesprochen haben! Das hier ist unsere Angelegenheit, und da hat sich niemand einzumischen!“
    Achim legte einfach auf. Seine Augenlider zuckten, sein Gesicht war rot, aber plöt zlich fiel alle Aggression von ihm ab, und er fragte tonlos: „Machst du mir was zu essen?“
    Rike nickte, ging in die Küche und briet Eier mit Speck. Achim saß derweil am K üchentisch und schaute alle zehn Sekunden abwechselnd auf die Wanduhr und auf seine Armbanduhr. Das sah so automatenhaft aus, so unmenschlich, absurd, verrückt, wahnsinnig, dass Rike ein leises Grauen überkam. Sie konzentrierte sich auf ihre Pfanne. Sie aß zwar nichts, aber sie setzte sich zu Achim an den Tisch und informierte ihn im Plauderton, dass das Garagentor am nächsten Tag eingebaut würde.
    „Gut “, meinte Achim und schaufelte die Eier in sich hinein, als habe er tagelang nichts gegessen. Oder als wolle er möglichst schnell wieder aus der Küche verschwinden. Aber Rike wollte reden.
    „Weißt du, ich habe erfahren “, begann sie vorsichtig, „dass man unser Haus durchsucht hat, während wir ,in der Klinik‘ waren.“
    Achim sah von seinem Teller auf. „Was? Wer? Deine Mutter?“ , murmelte er, und er klang nicht wütend, wie sie befürchtet hatte, sondern erschöpft, maßlos erschöpft.
    „Ja.“ Rike hütete sich, den Namen Wolter auszusprechen. „Und sie hat die Polizei eingescha ltet.“
    Achim warf die Gabel auf den Teller, verschränkte die Arme vor der Brust und runze lte nun doch verärgert die Stirn. „Verdammt noch mal! Die werden uns ausquetschen! Die werden uns kein Wort glauben!“
    Er schwieg zwei Minuten und stand auf. „Ich weiß nicht, wie das weitergehen soll, aber eins weiß ich: der Doktor wird unser Haus nicht mehr betreten, und du wirst keinen Ko ntakt mehr mit ihm aufnehmen!“
    Achim war schon fast aus der Tür, als Rike sich wie von fern sagen hörte: „Ich lasse mir von dir doch nicht vorschreiben, zu wem ich Kontakt haben darf und zu wem nicht!“
    Achims Antwort bestand darin, dass er lautstark die Stufen hinaufstapfte.
    Rike blieb noch eine Viertelstunde am Küchentisch sitzen und grübelte über dieses und jenes nach, aber da nichts zu einem Ergebnis führte, legte sie sich ebenfalls schlafen, nicht ohne sich mit ein paar Schlucken Likör die nötige Bettschwere angeeignet zu haben.
    Am nächsten Morgen, es war Freitag, der 4. Juni, saßen sie sich beim Frühstück wieder ei nmal schweigend gegenüber. Achim trug dunkle Ringe unter den Augen und schaute in unregelmäßigen Abständen auf die Uhr an der Wand oder auf die Uhr an seinem Handgelenk. Als er schließlich das Haus verließ, presste er doch noch einen Satz hervor. „Ich warne dich, halte dich von dem Viehdoktor fern!“ Dann fuhr er mit seinem Wagen davon.
    Rike nahm zwei Kopfschmerztabletten und brachte die Küche in Ordnung. Kurz nach acht rief jemand von der Polizei an.
    „Sind Sie Frau Eberhardt?“
    Rike verspürte einen Anflug von Panik. „Äh ... ja?“
    „Dr. Wolter hat uns informiert, dass Sie wieder zu Hause sind“, erklärte der Polizeibeamte in sachlichem Ton. „Ich kann ja verstehen, dass Ihr Mann ab und zu seine Ruhe haben will - aber sich für drei Wochen ins Gebirge zu verziehen, ohne irgendwem Bescheid zu sagen, das geht nicht! Richten Sie ihm das bitte aus, Frau Eberhardt.“
    „Ja, mache ich“ , hauchte Rike und hatte nicht den geringsten Plan, ob sie die Geschichte so stehen lassen oder ihre andere erzählen sollte.
    „Wir

Weitere Kostenlose Bücher