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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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gut weil das haus auf der weihde wo ich wone ist mir nicht g eheuer. Furchtbar schrekliche treume. Das bein tut we.
     
    18.11.1823
    Mein bruder Wilhelm streihtet mit mir weil ich alles bekomme und er nichts. Er ist sehr böse. Ich sage er soll das haus auf der weihde haben. Wir vertragen uns wieder. Meine schwester M aria wont jetzt noch bei mir auf den hof. Ich muß mal ein mann für sie suchen.
     
    Rike überflog die nächsten Seiten, die davon handelten, wie Distelrath in den nächsten Jahren vergeblich versuchte, seine Schwester, die wohl nicht die attraktivste war, an den Mann zu bringen. Und plötzlich las sie:
     
    9.9.1827
    Wilhelm wird immer seltsamer. Verschwindet für wochen und monahte. Ich seh doch das er furchtbar angst hat aber vor was?
     
    20.4.1830
    Wilhelm ist wieder da! 2 jare war er weg. Ich will wissen wo er war und er sagt er darf nichts sagen. Sein blick ist schreklich. Auf einmal schreiht er mich an – du bist der theufel! Was hast du mit dem haus gemacht und wieso bist du nicht älter! Du hast alle verhext! Ich muss dich vernichten! Er zieht ein messer und will mich damit erstechen aber 3 knechte halten ihn fest und sperren ihn in den keller.
     
    Rike hob den Blick vom Blatt. Hatte sie Motorengeräusche gehört, die näher kamen? Ihr Herz stolperte regelrecht in eine noch schnellere Gangart. Nein, es war genug jetzt! Sie hatte einfach nicht die Nerven, noch länger hier zu bleiben! Keine Sekunde!
    Sie sah aus dem Fenster: an der Einfahrt fuhr eben ein Tankwagen vorbei. Rike lief zum Schrank und wollte das Heft zurück in die oberste Reihe stellen, und wusste nicht mehr, wo sie es herausgezogen hatte. War es das zweite, dritte oder vierte gewesen? Würde Johann das auffallen? Irgendwann sicher.
    Jetzt geriet sie ernsthaft ins Schwitzen. Sie riss das zweite Heft, ein sehr dünnes, beiges, mit Blümchen bedrucktes, aus der Reihe, schlug die letzten Seiten auf und verglich die Daten mit den ersten Daten im anderen Heft. Das passte.
    Mit zittriger Hand stopfte sie beide Hefte zurück zwischen die anderen, machte den Schrank zu und glaubte erneut, einen Wagen auf den Parkplatz fahren zu hören. Sie hastete ans Fenster, aber es war ein fremder Wagen.
    Trotzdem beeilte sie sich, schlüpfte durch den Vorhang, nahm die Lampe auf und kroch durch die aufgesägte Öffnung zurück in den Trockenspeicher. Dort angekommen, setzte sie die Pla tte wieder in die Öffnung und klemmte sie mit einem Stückchen Pappe fest, damit sie nicht herausfiel.
    Mit hämmerndem Herzen brachte sie die Stichsäge in den Keller, lief wieder ganz nach oben und überprüfte ein letztes Mal, wie schnell ihr Wanddurchbruch zu entd ecken war: Nur wer direkt in die Ecke leuchtete, würde bemerken, was Rike angestellt hatte.
                 Als Johann von der Pferdebehandlung zurückkam, hatte Rike bereits Waffeln geb acken und Kaffee gekocht. Er sah erschöpft aus und roch nicht besonders gut. Er setzte sich erst gar nicht hin, sondern brummte: „Ich brauche jetzt erst mal ein Bad. Schrubbst du mir den Rücken?“
    Natürlich machte Rike das. Sie wusch ihm den breiten, starken Rücken, dessen Anblick eine rseits ein sehr körperliches Verlangen in ihr wachrief, ihr aber andererseits ein klein wenig Angst einjagte - wenn sie sich vorstellte, wie Johann reagierte, wenn er herausfand, dass sie versuchte, hinter seine Geheimnisse zu kommen. Das zwiespältige Gefühl erregte sie, und es dauerte nicht lange, bis sie sich auszog und zu ihm in die Wanne stieg.
        Später am Abend, als sie allein in ihrem Zimmer in ihrem Bett lag, schlichen dann allerdings ein paar düstere Gedanken durch ihren Verstand. Sie kam sich irgendwie immer noch wie ein Gast in diesem Haus vor, sie wohnte im Gästezimmer , oder etwa nicht? Sollte Hannah, wenn sie auftauchte, mit ihr im Zimmer schlafen? Gab es nicht genug Zimmer in diesem Haus?
    Abgeschlossene Zimmer. Fünf abgeschlossene Zimmer , von denen drei übereinander lagen.
    Welche Geheimnisse verbarg Johann vor ihr? Würde er merken, dass sie in seinem Arbeitszimmer gewesen war? Hatte sie die Hefte ordentlich genug an ihren Platz geschoben? Hatte der blauschwarze Samtvorhang den richtigen Faltenwurf, nachdem sie hindurchgeschlüpft war? Sie hatte doch keine Lampe ein- und nicht wieder ausgeschaltet? Oder doch? Hatte sie Fingerabdrücke auf der Fensterscheibe hinterlassen? Oder auf den Schranktüren?
    Fast zwei Stunden lang quälte sie sich mit solchen Fragen, auf die sie keine Antwort

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