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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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Pappschablone an die Wand zwischen den beiden Dachzimmern, zeichnete den Umriss der auszusägenden Öffnung auf dem Holz nach und entfernte die Schablone. Die schwarze Linie auf der Wand war ein wenig zittrig geraten, denn Rike war aufgeregt wie ein Bankräuber vor dem ersten Überfall.
    Die einzige Steckdose weit und breit befand sich im Flur, wo Rike ein Verlängerungskabel einsteckte. Dann eilte sie hinunter in den ersten Stock und schaute aus dem Fenster, um nachzusehen, ob Johanns Wagen auf dem Parkplatz stand. Ihre Vernunft und ihre Uhr sagten ihr, dass sie noch mindestens eine Stunde Zeit hatte, aber ihr Herz raste, ihre Haut klebte vor Schweiß, ihre Hände zitterten, und in ihrem Verstand behinderten und verwirrten sich die Gedanken gegenseitig vor lauter Angst, dass sie erwischt werden könnte.
    Natürlich war Johann noch nicht da, und das mindeste, was sie jetzt tun sollte, war herausz ufinden, ob sich hinter dem Holz nicht doch eine Steinmauer befand. Zurück auf dem Dachboden, kroch sie in die dunkle Ecke unter der Schräge. Sie hatte die Taschenlampe mit einem sehr dicken Draht umwickelt und an einen Nagel in einem der Dachbalken gehängt. So konnte sie sie in verschiedene Richtungen drehen und hatte beide Hände frei zum Arbeiten.
    Jetzt schwenkte sie die Lampe ein wenig nach links und drückte den Bohrer der Bohrmaschine auf den obersten Punkt des aufgemalten Kreises. Erst ein Widerstand, dann tiefes Kreischen, dann sank der Bohrer butterweich durch das Holz und stieß dahinter ins Leere.
    Rike zog ihn heraus, schaltete die Maschine aus und lauschte. Rechts neben ihrem Kopf fielen leise einzelne Regentropfen auf die Dachziegel. Geräusche von dra ußen drangen ohne große Mühe durch die Ritzen. Wie das Geräusch eines Wagens, der in die Einfahrt einbog und näher kam.
    Rikes Herz schlug plötzlich bis zum Hals heraus. Sie kroch rückwärts aus der Ecke, packte die Bohrmaschine, lief mit ihr eine Etage tiefer und warf das Gerät kurzerhand unters Bett in ihrem Zimmer. Ob sie es noch schaffen konnte, auch die Stichsäge verschwinden zu la ssen?! Sie rannte ans vordere Flurfenster und sah hinaus. Auf dem Parkplatz stand ein Auto, aber es war nicht Johanns Auto.
    Eine Frau stieg aus, spannte einen bunt gemusterten Schirm auf und ging zur Ei ngangstür, an der das berühmte ,Notfall‘-Schild hängen musste, denn die Frau machte kehrt, stieg ins Auto und fuhr davon.
    Rikes Herzschlag verlangsamte sich. Sie sah auf die Armbanduhr, die sie in der linken Tasche i hrer Shorts verstaut hatte. Der Uhr zufolge hatte sie noch mindestens eine halbe Stunde Zeit. Mindestens. Aber ihre Nerven lagen blank. Sie atmete ein paar Mal tief ein und aus.
    Wenn sie jetzt nicht weitermachte, verschenkte sie wertvolle Zeit. Also wieder zurück auf den Dachboden!
    Kurz darauf rutschte sie unter die Schräge in die Ecke und steckte einen dünnen Stift durch das Loch, das sie gebohrt hatte. Auch der Stift stieß nirgendwo an. Also doch keine Steinmauer. Sollte sie noch ein Stück sägen oder nicht? Fünf Minuten. Ja, fünf Minuten sägen und dann alles wegräumen. Aber zuvor befestigte sie schnell zwei dicke Schrauben auf der Holzwand, damit sie später den herausgesägten Teil an den Schrauben herausziehen und hoffentlich auch wieder einsetzen konnte.
    Anschließend schob sie das schmale Sägeblatt durch das Loch, schaltete die Stichsäge ein und führte sie langsam und möglichst genau nach links an dem aufgemalten Strich entlang. Schneller wäre es auch gar nicht gegangen, denn das Holz erwies sich als härter, als sie gedacht hatte. Sie musste das Gerät mit einigem Kraftaufwand vorwärts drücken, und nach fünf Minuten war sie (mit kleinen Pausen) gerade zehn oder zwölf Zentimeter weit gekommen! Sie würde Tage brauchen, um die Öffnung auszuschneiden!
    Sollte sie nicht doch noch ein Stückchen weitersägen? Nein, das machten ihre Nerven defin itiv nicht mit!
    Sie brachte, nachdem sie noch einmal aus dem Flurfenster gesehen hatte, alle Werkzeuge z urück in den Keller und legte und hängte alles sorgfältig an seinen Platz, denn Johann war sehr eigen und ordentlich mit seinem Werkzeug. Ansonsten war nicht zu befürchten, dass er ohne guten Grund auf dem Dachboden in die Ecken kriechen und ihre Sägerei entdecken würde. Sie verhielt sich so unauffällig wie möglich, machte den Haushalt, arbeitete im Garten, und half in der Praxis mit.
    Zwei Tage, nachdem sie mit dem Aussägen der Öffnung begonnen hatte, kam Johann am

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