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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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nur im Keller, sonder in einer ,Irrenanstalt‘. Das alles hatte sich um 1830 abgespielt.
    Rike schlug das Heft auf.
     
    14.12.1830
    Vor einer Woche war die Hochzeit der Maria mit dem Gottlieb. Jetzt bin ich alein auf dem großen hof. Alein und einsahm. Ich werde den hof verpachten und ins dorf ziehn und mir ein weib suchen.
     
    Die folgende ausführliche Schilderung der Auswahl eines Pächters, des Umzugs und der Einrichtung der neuen Wohnung überflog Rike ungeduldig. Dann lernte Distelrath eine Frau kennen.
     
    2.8.1831
    Gestern immer wiehder mit Auguste getanzt auf dem dorfest. Ein schönes weib. Prall und rund und mit diken schwarzen haar und weicher haut. Noch jung, 22 jahr. Ich hab schon me inen 40 geburstag gehabt aber ich sagte ihr ich bin 31. Ich sehe aus wie 31.  Ich versteh es nicht und jetzt ist es egal. Ich bin glüklich und sehr verliebt. Auguste ist die tochter vom wihrt neben der kirche. Der mag mich.
     
    Rike blätterte eine Seite nach der anderen um, und ihre Blicke huschten darüber. Distelrath schilderte ziemlich drastisch die Verführung der angeblichen Jungfrau Auguste, was Rike peinlich berührte. Sie überschlug auch den ausführlichen Bericht über die Hochzeit im Mai 1832, der das halbe Heft füllte. Sie kroch aus der Ecke, reckte sich, sah aus dem Fenster, stellte das Heft zurück in den Schrank und nahm die Kladde heraus, die daneben stand.
    Dieser Distelrath war wirklich ein eifriger Tagebuchschreiber, das musste man ihm lassen. Rike hockte sich wieder hinter den Vorhang und las im Schein ihrer Taschenla mpe weiter.
    Die nächsten paar Dutzend Seiten drehten sich um die Vermietung des Hauses auf der Weide. Die Mieter zogen ein, blieben ein paar Monate, zogen wieder aus und beschwerten sich zw ischendurch über die Risse im Kellerboden.
    Im Jahr 1838 starb Augustes Vater, und sie erbte die Wirtschaft, weil ihre drei Br üder nach Amerika gegangen waren und nichts mehr von sich hören ließen. Fünf Jahre später passierte ein Unglück.
     
    22. 7.1843
    Ich weine die ganze nacht. Warum haben wir den ausflug gemacht! Warum wollte sie zum see! Warum ist das boot umgeschlagen! Ich habe meine geliebte Auguste aus dem Wasser gezogen und sie lebt und ich dachte es wird alles gut! Jetzt hat sie eine schwere enzündung der lungen und hohes fieber!
    Was soll ich nur tun wenn sie mir stirbt!
     
    Alles Jammern half nicht, Auguste starb eine Woche später, und Distelrath erbte die Wir tschaft. Kinder waren aus der Ehe anscheinend nicht hervorgegangen.
    Ein Jahr später verkaufte Distelrath das Haus auf der Weide an einen Lehrer mit Frau und drei Kindern. Und was passierte? Distelrath verguckte sich in die Frau des Lehrers, Elisabeth mit N amen.
     
    1.5.1845
    Mein kopf ist noch schwer und verwirrt vom tanz in den Mai aber nicht nur vom alcohol so ndern auch von Elisabeth. Eine so schöne und kluge frau mit glänzenden dunklen haaren und so schwarzen leidenschaftlichen augen. Sie hat mir ihr leid geklagt: sie sagt dass ihr mann nicht mehr bei sinnen ist. Er tobt und schreit und weint und sie kann mir nicht sagen warum.  Ich werde mich um sie kümmern und sie beschützen!
     
    Ein leichtes Frösteln lief über Rikes Rücken. Kam ihr das nicht bekannt vor? Das konnte natürlich nichts als ein Zufall -
    Das Telefon neben ihr klingelte, und Rike schrak zusammen, als hätte jemand unerwartet e inen Schuss neben ihrem Ohr abgefeuert. Sie wartete ein paar Sekunden, nahm ab und meldete sich mit schwacher Stimme.
    „Ja?“
    „Friederike, du klingst nicht gut! Wie geht es dir? Soll ich nach Hause kommen?“ Johann war schlecht zu verstehen, im Hintergrund redeten Leute bei lauter Musik durcheinander.
    „Nein, so schlimm ist es nicht. Im Gegenteil, die Kopfschmerzen sind weg, und vorhin hab ich sogar was gegessen. Ruf mich in `ner halben Stunde wieder an, vielleicht ko mme ich dann zu dir, wenn’s dir recht ist.“
    Das beruhigte Johann, und Rike hatte eine halbe Stunde Zeit gewonnen. Sie sah auf die Uhr, die sie in der Hosentasche trug, und las weiter.
     
    6.6.1845
    Wo ist Elisabeth nur? Drei wochen durft ich sie nicht sehen. Sie kam nicht zu unseren geheimen plaz im wald. Ich sorge mich um sie.
     
    11.6.1845
    Endlich ist sie wieder da. Aber sie erklärt mir nichts. Ich fühle das es ihr nicht gut geht. Sie hat angst. Auch vor mir. Sie sagt ich sehe anders aus aber ich rede ihr ein das sie eine falsche erinnerung hat. Und dann küsse ich sie einfach auf den mund und alle angst ist weg aber viel

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