Das Model und der Scheich
sagte Desirée. „Nämlich dann, wenn ich sonst auf der Insel bin. Ich habe mir gedacht, es wäre großartig, wenn dein Vater mich jeweils für einige Wochen im Jahr als Volontärin bei sich aufnehmen würde. In diesem Fach sind praktische Erfahrungen Prüfungsvoraussetzung.“
Während Samiha und sie alles besprochen hatten, hatte diese Erklärung recht plausibel geklungen. Jetzt war sich Desirée dessen nicht mehr so sicher …
Zu ihrer Erleichterung schien Salih nicht genau zugehört zu haben, denn er war damit beschäftigt, ein Stück Fleisch in eine dunkle, fast schwarze Soße einzutauchen.
„Versuch mal“, sagte er, beugte sich zu ihr und hielt ihr das Stückchen vor den Mund. Ohne nachzudenken, öffnete Desirée den Mund und biss in das zarte Fleisch. Es schmeckte unvergleichlich gut.
„Hm, lecker! Was ist denn das Schwarze? So etwas habe ich noch nie gegessen“, sagte sie, als sie wieder sprechen konnte.
„Granatapfelsoße. Auch eine Spezialität der Bergvölker.“
Auf ihrer Wange befand sich ein kleiner Spritzer davon. Salih wischte ihn mit der Fingerspitze ab. Und ganz von selbst geschah es, dass Desirée den Finger ableckte.
Erschrocken sah sie Salih an.
Er strich ihr sanft über die Unterlippe.
Heftig atmete Desirée ein. Für den Bruchteil einer Sekunde verriet sie so ihre wahren Empfindungen. Die Anziehung zwischen ihnen war in der nächtlichen Stille beinahe körperlich zu spüren.
In Salihs dunklen Augen glomm ein sehnsuchtsvoller Funke.
Mit seinen makellosen Zähnen biss er in dasselbe Stück, von dem auch sie gekostet hatte. Die Sinnlichkeit, die in dieser Geste lag, durchzuckte Desirée bis ins Innerste.
Sie senkte den Blick und beschäftigte sich mit ihrer Serviette. Obwohl sie fieberhaft überlegte, was sie sagen könnte, fiel ihr absolut nichts ein. Plötzlich fühlte sie sich unerfahren und ungeschickt – als hätte es die letzten Jahre nie gegeben.
Schweigend saßen sie da, und in der Stille lagen all die unausgesprochenen Gefühle und Erwartungen.
Desirée begann zu essen.
Im Licht der kleinen Lampen, die auf der Decke standen, fielen ihr seine Hände auf, die sie schon immer bewundert hatte. Wie damals wirkten sie kraftvoll und feinfühlig zugleich. Wieder stiegen Erinnerungen in ihr auf, an Nächte unter dem Pier, in denen Salih sie gestreichelt hatte. All seine Zärtlichkeit und seine Leidenschaft hatten sich in diesen Liebkosungen ausgedrückt …
Ab und zu erhellte der Lichtschein sein Gesicht. Um den Mund lag noch immer dieser ernste Zug, doch zugleich erschienen die Lippen voll und sinnlich – was Desirée bei Tageslicht nicht aufgefallen war. Manchmal erschien in den dunklen Augen ein Glitzern …
„Du fährst immer noch auf die Insel?“, fragte er. Sie wünschte, er hätte ein anderes Thema angeschnitten, doch sie musste antworten.
„Meine Eltern leben jetzt Sommer und Winter im Cottage.
Und ich verbringe jedes Jahr vier Wochen dort, und wenn möglich die Weihnachtstage.“
Er erkundigte sich nach ihren Eltern, ihrer jüngeren Schwester und ihrem Bruder Harry. Ganz allmählich weckte Salih immer neue Erinnerungen in ihr. Obwohl sie wusste, dass er es absichtlich tat, um sie in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, konnte sie sich nicht dagegen wehren.
Die Sterne am nächtlichen Himmel, die Gespräche über die Sommer auf der Insel … All das trug dazu bei, dass Desirée sich in die Vergangenheit zurückversetzt fühlte. Wie sie unter dem Pier gelegen hatten, völlig ungestört. Nur sie beide.
Die Gefühle kehrten zurück: wie sie, an der Schwelle vom Mädchen zur Frau, ihre eigenen geheimsten Wünsche entdeckt hatte – und die des geliebten Jungen an ihrer Seite.
Ja, sie hatten einander geliebt. Wieder betrachtete sie seine Hände. Als sie im Schatten verschwanden, erbebte sie.
Als ob sie unbewusst erwartete, jeden Moment von ihm berührt zu werden.
Sie lehnte sich in die bequemen Kissen zurück, die Beine übereinandergeschlagen – ohne zu ahnen, wie attraktiv das aussah – stützte sich auf den Ellbogen und aß mit den Fingern. Von ihrem Widerstand war keine Spur mehr vorhanden. Sie aß deutlich mehr als sonst und kostete die Sinnenfreude dieses Abends voll und ganz aus.
Salih entging nicht, wie sie sich entspannte. Auch wenn es vielleicht nichts bedeuten mochte, triumphierte er doch im Stillen.
Inzwischen wurde der Nachtisch gebracht: Gebäck, dem man anzusehen glaubte, wie süß es schmeckte. Desirée nahm all ihre restliche Abwehrkraft
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