Das Model und der Scheich
dass er es trotzdem probierte – in der Hoffnung, sie umzustimmen, wenn er erst vor ihrer Tür stand.
Seine Chancen standen, wie Desirée sich bestürzt eingestehen musste, nicht einmal schlecht. All ihre Abwehrstrategien, die sie sich in den vergangenen Jahren zurechtgelegt hatte, hatten sich in kürzester Zeit in Luft aufgelöst. Keinem anderen Mann gegenüber empfand sie so. Doch leider wusste sie nicht, was Salih wirklich wollte.
Einen Schlussstrich ziehen, hatte er behauptet. Und das, indem er Sex mit ihr hatte – ein seltsamer Gedanke!
Kannst du dir vorstellen, wie sehr du mich bezaubert hast, Desi? waren seine Worte gewesen. Stimmte das? Oder hatte er bestimmte Gründe, so etwas zu sagen?
Desirée warf die Decke zurück, setzte sich auf die Bettkante und stützte den Kopf in die Hände. Sie erinnerte sich an die Zeit vor zehn Jahren. Die intime Atmosphäre im Alkoven. Salihs ständiges Erwähnen der Vergangenheit. Die Tatsache, dass er genau das Essen bestellt hatte, das er ihr vor langer Zeit voller Begeisterung beschrieben hatte. Die unwiderstehliche Art, mit der er sie mit Leckerbissen gefüttert hatte … Für Desirée überaus schmerzliche Erinnerungen an ihre Liebe und einstige Vertrautheit.
In alldem zeigte sich die Entschlossenheit eines Mannes, der eine vergangene Beziehung um jeden Preis wiederbeleben will. Nur warum?
Er will Rache! Endlich verstand sie. In vier oder fünf Tagen in der Wüste würde er Mittel und Wege finden, sich an ihr zu rächen, dessen war Desirée sich sicher. Und doch fragte sie sich, woher sein Wunsch nach Vergeltung rührte. Schließlich war es seine Entscheidung, dass alles so gekommen war.
Ein paar Tage nach seiner Abreise hatte Salih sie angerufen und ihr fast flehentlich seine Liebe beteuert. Inzwischen war ihm klar geworden, dass er einfach eifersüchtig gewesen war. Er hatte geglaubt, nur ihn allein würde Desirée so anschauen – und nun sah auf dem Foto alle Welt diesen Blick. Enttäuscht hatte er ihr Vorwürfe gemacht – die er jetzt bereute.
„So etwas wird nicht wieder vorkommen, Desi. Jetzt kenne ich mich besser. Bitte verzeih mir.“
Doch leider kam der Anruf zu spät. Der Streit hatte Desirée so erschüttert, dass ihr nun alles Angst machte: Familie und Freunde zu verlassen. Ans andere Ende der Welt zu ziehen, in ein Land, dessen Sprache sie nicht verstand – und über dessen Menschen und ihren Glauben sie nichts wusste. Wo sie niemanden kannte außer Salih. Ihre Kinder in einem fremden Kulturkreis aufwachsen zu sehen …
Hinzu kam, dass zu dieser Zeit Meldungen durch Fernsehen und Presse gingen, dass in der Hauptstadt von Kaljukistan eine Frau gesteinigt worden war. Weitere Berichte dieser Art folgten. Über Frauen, die krank waren, weil es in weitem Umkreis nur männliche Ärzte gab, die ihnen nicht helfen durften. Oder über Mädchenschulen, die geschlossen wurden, und über Lehrerinnen und Ärztinnen, denen man Berufsverbot erteilt hatte.
Desirée war entsetzt. Wie gut kannte sie Salih wirklich? Wie konnte sie ihn lieben, wenn sie so wenig über ihn wusste?
Jung, wie sie war, kam sie mit den widersprüchlichen Gefühlen nicht zurecht, die der Klang von Salihs Stimme in ihr auslöste.
„Ich liebe dich nicht“, rief sie ins Telefon.
„Doch!“, beharrte er. Aber auch er war viel zu jung. „Du liebst mich, Desi. Wir lieben uns. Ich liebe dich! Mehr alles andere auf der Welt. Bitte, wir müssen einfach heiraten!“
Ihre Befürchtungen wogen schwerer als Salihs jugendliche Courage.
„Du bist genau wie die Kaljuken!“, warf sie ihm vor. „Du willst, dass ich nur zu Hause sitze und mich um die Kinder kümmere.“
Zwei Wochen später erfuhr sie von Samiha, dass Salih zusammen mit Prinz Omar und seinen Vertrauten in Parvan kämpfte.
Desirée machte sich schreckliche Sorgen um ihn und wurde sich endlich über ihre Gefühle für ihn klar. Nur gab es zu diesem Zeitpunkt keine Möglichkeit, mit Salih in Kontakt zu treten.
Sie hatte etwas sehr Kostbares zerstört. Und nun, da sie ihren Fehler einsah, konnte sie nichts tun, um ihn wiedergutzumachen. Sie war hilflos und verzweifelt.
Noch ehe sie einen Ausweg aus dieser Situation gefunden hatte, trat Leonard J. Patrick in ihr Leben – der Model-Agent Nordamerikas. Seine Spezialität war, zu entdecken, was er ungeschliffene Edelsteine nannte …
Von dem Moment an, da er ein Auge auf Desirée geworfen hatte, brauchte sie sich um die Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Damit war ihr eine
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