Das Mönchskraut
erfüllen hatten, während sie auf ihr Ende warteten.
»Die Burschen brauchen nur ein paar Tage im warmen Bett zu bleiben, dann werden sie von selbst wieder gesund«, meinte Cadfael und füllte eine bräunliche Flüssigkeit, die scharf, süß und aromatisch roch, von einer größeren Flasche in eine kleinere. »Aber es ist natürlich nicht nötig, daß sie sich unwohl fühlen, und sei es auch nur für ein paar Tage. Gib ihnen zwei-bis dreimal am Tag einen Löffel von dieser Medizin, dann wird es ihnen bald bessergehen.«
»Was ist denn da drin?« fragte Bruder Edmund neugierig.
Die meisten von Bruder Cadfaels Rezepturen kannte er bereits, aber er wußte, daß in diesem Schuppen ständig experimentiert wurde. Manchmal fragte er sich, ob Cadfael die neuen Medikamente an sich selbst ausprobierte.
»Rosmarin, Weißer Andorn und Steinbrech, vermischt mit Flachssamenöl und einem roten Wein, den ich aus Kirschen und ihren Steinen gebraut habe. Diese Arznei ist gut gegen Schnupfen, auch gegen Husten.« Sorgsam steckte Cadfael den Stöpsel in die große Flasche und wischte den Hals ab. »Hast du noch einen Wunsch? Vielleicht irgendwas für die alten Knaben. Sicher regen sie sich schrecklich auf über die diversen Neuigkeiten. Wenn die Menschen erst mal über sechzig sind, hassen sie Veränderungen.«
Bruder Edmund nickte wehmütig. »Vor allem solche Veränderungen ... Sie wußten gar nicht, wie sehr sie Heribert lieben. Das merken sie erst jetzt, wo sie ihn verloren haben.«
»Glaubst du wirklich, daß wir ihn verloren haben?«
»Ich befürchte es. Nicht daß Stephen nachtragend wäre - aber er wird tun, was der Gesandte will, um dem Papst Honig um den Bart zu schmieren. Und glaubst du, daß ein fanatischer Reformator, der in unserem Reich die Möglichkeit erhält, die Kirche nach seinem Geschmack umzuformen, an unserem guten kleinen Abt Gefallen finden wird? Stephen hat die Saat des Zweifels gesät, als er noch wütend auf uns war. Aber jetzt ist es Alberic von Ostia, der unseren lieben Abt prüfen und für zu weichlich befinden wird.« Bruder Edmund seufzte tief auf.
»Ich könnte noch ein Töpfchen von deiner Salbe gegen Druckbrand gebrauchen. Bruder Adrian hat sich schon wieder ganz wund gelegen. Er wird nicht mehr lange Buße tun müssen, die arme Seele.«
»Sicher hat er schreckliche Schmerzen, wenn du ihn auf die Seite drehst, um ihn einzusalben«, meinte Cadfael.
»Er besteht nur noch aus Haut und Knochen, und es ist sehr mühselig, ihm ein paar Bissen einzuflößen. Er welkt einfach dahin - wie ein Blatt im Herbst.«
»Wenn du ihn hochheben willst und Hilfe benötigst - laß mich rufen. Dazu bin ich ja schließlich da. So, hier hast du deine Salbe. Ich glaube, sie ist besser denn je, denn ich habe mehr Labkraut hineingetan als sonst.«
Bruder Edmund legte die Flasche und das Töpfchen in seine Tasche und überlegte, ob er noch weiterer Arzneien bedurfte.
Nachdenklich rieb er sich das spitze Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Plötzlich wehte ein kalter Windstoß zur Tür herein. Sie wandten beide die Köpfe - so abrupt, daß der junge Mann, der die Tür einen Spaltbreit geöffnet hatte, verstört zurückwich.
»Mach die Tür zu, Junge!« rief Cadfael und zog fröstelnd die Schultern hoch.
»Verzeih, Bruder!« erwiderte eine unterwürfige Stimme hastig. »Ich warte draußen, bis du Zeit für mich hast.« Die Tür begann sich vor einem schmalen, dunklen, ängstlichen Gesicht zu schließen.
»Nein, nein«, entgegnete Cadfael ungeduldig, »so hab' ich's nicht gemeint. Komm nur herein in die Wärme und mach schnell die Tür zu, damit uns dieser böse Wind nichts mehr anhaben kann. Wenn er noch lange hereinbläst, fängt die Kohlenpfanne zu rauchen an. Ich werde mich gleich um dich kümmern, wenn der Bruder Krankenpfleger alles hat, was er braucht.«
Die Tür ging gerade so weit auf, daß ein dünner Bursche hereinschlüpfen konnte, dann wurde sie sofort wieder zugeworfen, und er lehnte sich dagegen.
Es war ihm anzumerken, daß er sich am liebsten unsichtbar gemacht hätte, wenn sein Blick auch neugierig über die duftenden trockenen Kräuter wanderte, die von den Deckenbalken herabhingen, über die Regale mit den Töpfen und Flaschen, die Essenzen aus der sommerlichen Ernte bargen.
»Ach ja!« Jetzt war es Bruder Edmund eingefallen, was er noch brauchte. »Bruder Rhys jammert über heftige Rücken-und Schulterschmerzen. Er kann sich kaum bewegen, und ich beobachte immer wieder, wie er
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