Das Mönchskraut
zusammenzuckt. Du hast doch ein Öl, das seine Beschwerden schon einmal gelindert hat.«
»O ja - einen Augenblick, ich werde ein Fläschchen für dich füllen.« Cadfael griff nach einer großen Steingutflasche und suchte in den Regalen nach einer kleineren aus Rauchglas.
Vorsichtig zog er den Stöpsel aus der großen Flasche und goß ein zähflüssiges dunkles Öl, das einen kräftigen, beißenden Geruch verströmte, in die kleinere. Dann schraubte er den Holzstöpsel wieder in den Flaschenhals und drückte ihn mit Hilfe eines Leinentuchs fest hinein. Mit einem anderen Lappen wischte er beide Behälter ab, danach warf er ihn in die kleine Kohlenpfanne, auf der ein Steinguttopf mit einer leise brodelnden Brühe stand. »Das wird ihm helfen - vor allem, wenn du jemanden mit kräftigen Fingern findest, der ihm das Öl fest in die Gelenke reibt. Aber paß auf, daß es niemals mit deinen Lippen in Berührung kommt, Bruder Edmund. Und wasch dir die Hände, wenn du es benutzt hast. Sorg auch dafür, daß sich alle anderen, die es zwischen die Finger kriegen, gründlich waschen. Der menschlichen Haut tut dieses Öl gut, aber es darf nicht in seinen Körper gelangen. Du darfst es auch bei keinem Patienten anwenden, der eine kleine Wunde oder einen Kratzer hat. Es ist ziemlich stark.«
»Und offenbar gefährlich«, ergänzte Edmund. »Woraus besteht es denn?« Er drehte die Flasche hin und her, um zu sehen, wie langsam und klebrig das Öl über die Glaswand rann.
»Hauptsächlich aus zermahlenen Eisenhutwurzeln, vermischt mit Senf-und Flachssamenöl. Wenn man es schluckt, wird man vergiftet. Schon eine kleine Dosis könnte einen Menschen töten. Also verwahr es gut, und vergiß nicht, dir jedesmal sofort die Hände zu waschen, wenn du es verwendet hast. Für alte, eingerostete Gelenke ist dieses Öl der reine Balsam. Bruder Rhys wird ein prickelndes Hitzegefühl verspüren, wenn man das Öl kräftig in die Haut reibt. Das betäubt den Schmerz, und danach wird er sich viel besser fühlen. Hast du jetzt alles? Wenn du willst, kann ich zu dir kommen und Bruder Rhys behandeln. Ich weiß, wo die Schmerzen sitzen, und dieses Öl muß wirklich mit aller Kraft in die Haut gerieben werden, sonst hilft es nicht.«
»O ja, ich weiß, daß du Eisenfinger hast«, erwiderte Bruder Edmund und inspizierte die Errungenschaften in seiner Tasche.
»Ich habe sie mal zu spüren bekommen, und da dachte ich, du würdest mir alle Knochen brechen. Aber ich muß zugeben, daß die Salbe, mit der du mich damals traktiert hast, sehr wirkungsvoll war. Am nächsten Tag konnte ich mich viel besser bewegen. Ja, bitte, komm nur, wenn du Zeit hast. Bruder Rhys ist nicht mehr ganz bei Sinnen. Die jüngeren Brüder erkennt er gar nicht -aber dich hat er sicher nicht vergessen.«
»Er wird alle erkennen, die einen walisischen Akzent haben«, meinte Cadfael, »denn er kehrt jetzt in seine Kindheit zurück, wie alle alten Leute.«
Bruder Edmund nahm seine Tasche und wandte sich zur Tür. Der dünne junge Mann trat beiseite und öffnete sie höflich, dann schloß er sie wieder, nachdem der Krankenpfleger sich lächelnd bedankt hatte und hinausgegangen war. Jetzt sah Cadfael, daß der Bursche zwar sehr schlank, aber groß und kräftig gebaut war. Er wußte sich geschmeidig zu bewegen, und seine Körperhaltung verriet eine angespannte Wachsamkeit. Sein dichtes, hellbraunes Haar war vom Wind zerzaust, ein sorgsam gestutzter hellbrauner Bart auf der Oberlippe und am Kinn betonte den tiefernsten Ausdruck des schmalen Gesichts mit der langen Habichtsnase. Die großen, hellblauen Augen, die eine lebhafte Intelligenz verrieten und defensiv wie gezückte Speere wirkten, richteten sich nun auf Cadfael und blickten ihn unverwandt an.
»Nun, mein Freund«, begann Cadfael und schob den Steinguttopf an den Rand der Kohlenpfanne, um die Hitzezufuhr zu verringern, »was kann ich für dich tun?« Er drehte sich um und musterte den Fremden von Kopf bis Fuß.
»Ich kenne dich nicht, aber du bist mir willkommen. Was hast du auf dem Herzen?«
»Mistreß Bonel hat mich geschickt.« Die leise Stimme des jungen Mannes hätte angenehm geklungen, wäre sie nicht so belegt gewesen. »Sie läßt dich um ein paar Küchenkräuter bitten. Der Bruder Hospitalvorsteher hat ihr gesagt, du würdest ihr gern aushelfen, wenn ihr eigener Vorrat zur Neige gegangen ist. Mein Herr ist heute in ein Haus am Foregate gezogen, als Klostergast.«
»Ach ja ...« Cadfael erinnerte sich an das Haus
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