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Das Mönchskraut

Das Mönchskraut

Titel: Das Mönchskraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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daß er jene andere Flasche, die Giftphiole, bei der Schafhürde zurückgelassen hatte.
    Bald lag das Tal von Cynllaith vor ihm, und der Weg zur Rechten zog eine schmale Linie durch das hohe Gras und führte dann bei der Furt durch den Nebenfluß. Nach einer halben Meile gelangte er zu einem bewaldeten Hang. Im Sommer, wenn die Äste ihr grünes Kleid trugen, war es sicher schwierig, das niedere Holzhaus zwischen den Stämmen zu entdecken. Aber jetzt, wo die Blätter gefallen waren, stand es deutlich sichtbar hinter den kahlen Zweigen, wie ein zufriedenes Huhn in seinem Käfig. Bis zum Zaun wuchs dichtes Gras, auch an der Seite, wo die Bäume einen Halbkreis bildeten, der wie ein Vorhang wirkte. Cadfael ritt auf das Haus zu und durch das Gras zur Rückfront, nachdem er festgestellt hatte, daß es an der Vorderseite keine Tür gab. Ein Hengst, an einer langen Leine festgebunden, trottete um die Giebelwand herum und weidete friedlich. Er war ebenso groß, kräftig und häßlich wie das Pferd, auf dem Cadfael saß, aber vermutlich um einige Jahre älter. Bei seinem Anblick blinzelte der Mönch, dann stieg er aus dem Sattel.
    Ein knochiger alter Schecke - natürlich mußte es viele Pferde geben, auf die diese Beschreibung paßte. Auf dieses traf sie jedenfalls zu, vor allem auf die bizarren Flecken in allen Schattierungen von Schwarz bis Weiß. Würde es auch auf einen gewissen Namen hören?
    Cadfael ließ den Zügel seines Hengstes los und ging langsam zu dem Tier, das seelenruhig weitergraste und ihm nach einem kurzen Seitenblick keine Beachtung mehr schenkte. »Japhet!« rief er leise.
    Der Schecke spitzte die langen Ohren, hob den kantigen Kopf, reckte treuherzig das Maul und die erweiterten Nüstern in die Richtung, aus der das vertraute Wort zu ihm drang.
    Nachdem er entschieden hatte, daß es keine Täuschung gewesen war, näherte er sich zutraulich der ausgestreckten Hand des Mönches. Cadfael streichelte die hohe Stirn, den langen Hals. »Japhet - Japhet, mein Freund, was machst du hier?«
    Schritte raschelten im trockenen Gras, während alle vier Beine des sanftmütigen Tiers stillstanden, und Cadfael schaute rasch zur Hausecke. Dort stand ein gebrechlicher Greis und musterte ihn schweigend - ein hochgewachsener Mann mit weißem Haar und weißem Bart, aber immer noch schwarzen Brauen, so dicht wie Stechginster. Seine Augen leuchteten so blau wie der Winterhimmel. Er trug schlichte Kleider aus dem rauhen Wollstoff der Landbevölkerung, doch seine würdevolle Haltung verwandelte sie in Königspurpur.
    Cadfael wandte sich zu ihm, eine Hand immer noch auf Japhets Hals gelegt. »Du mußt Ifor ap Morgan sein. Ich heiße Cadfael - und früher war ich Cadfael al Meilyr ap Dafydd aus Trefriw. Rhys ap Griffith, der Bruder deiner Frau, der jetzt dem Benediktinerorden von Shrewsbury angehört, hat mich gebeten, dir Grüße zu bestellen.«
    Eine tiefe, erstaunlich melodische Stimme kam über die strengen, trockenen Lippen. »Bist du sicher, daß du mich aufsuchen willst, Bruder - und nicht meinen Gast?«
    »Ich wollte nur zu dir - jetzt möchte ich euch beide sprechen.
    Aber zuerst sollten wir das Pferd verschwinden lassen. Wenn ich es nach Edwys Beschreibung erkannt habe, dürfte das anderen Leuten auch nicht schwerfallen.«
    Der alte Mann bedachte Cadfael mit einem langen, prüfenden Blick. »Komm herein!« sagte er dann, drehte sich um und ging voran. Bevor Cadfael ihm folgte, führte er Japhet hinter das Haus und verkürzte die Leine, so daß sich das Tier nicht mehr so weit von der Mauer entfernen konnte. Dann band er auch sein eigenes Pferd fest. Der alte Mann stand in seiner halbdunklen, verräucherten, nach Holz duftenden Stube, eine Hand schützend auf Edwins Schulter gelegt. Auf kindliche Art strahlte Edwin etwas von der anmutigen Würde des Greises aus. Er stand ebenso still und kerzengerade da, mit hoch erhobenem Kopf, und was ihm an der Erfahrenheit des Alters fehlte, ersetzte er durch jugendliche Zuversicht.
    Ifor brach das Schweigen. »Edwin hat mir erzählt, daß du ein Freund bist. Und seine Freunde sind mir willkommen.«
    »Bruder Cadfael war immer gut zu mir«, versicherte der Junge, »auch zu meinem Neffen Edwy, wie Meurig erzählt hat.
    Gott hat mir wunderbare Freunde zur Seite gestellt ... Aber - wie hast du mich gefunden, Bruder Cadfael?«
    »Indem ich nicht nach dir gesucht habe«, antwortete der Mönch. »Im Gegenteil, ich habe mich sehr bemüht, nicht herauszufinden, wo du steckst, und ich bin

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