Das Mönchskraut
grinste hämisch.
»So sieht man sich also wieder, Bruder Cadfael! Tut mir leid, daß ich keinen Haftbefehl für dich habe. Ich bin gekommen, um den jungen Burschen festzunehmen, der hinter dir steht - Edwin Gurney. Der bist du doch, mein Junge?«
Edwin trat vor, so weiß wie sein Hemd - aber mit tapfer vorgerecktem Kinn und einem Blick, der einer gezückten Lanze glich. Er hatte viel gelernt in den letzten Tagen. »Ja, so heiße ich.«
»Dann verhafte ich dich unter dem Verdacht des Mordes an Gervase Bonel. Ich bin ermächtigt, dich nach Shrewsbury zu bringen, wo du dich verantworten sollst.«
9. Kapitel
Ifor ap Morgan holte tief Atem, richtete sich zu seiner vollen Größe auf und schien um einen halben Kopf zu wachsen.
Entschlossen ging er auf seinen unerwarteten Besucher zu.
»Hör einmal, du Wicht!« rief er mit seiner tiefen, durchdringenden Stimme. »Ich bin der Herr dieses Hauses, und du hast dich mir noch nicht einmal vorgestellt! Manche Gäste lade ich ein, andere kommen unerwartet und sind mir trotzdem willkommen. Dich kenne ich nicht, und dich habe ich auch nicht eingeladen. Du bist mir nicht willkommen. Sei doch so freundlich und sag mir, wer du bist - wenn du schon Geschäfte unter meinem Dach abzuwickeln hast, mit mir oder mit anderen.
Ansonsten mußt du dieses Haus verlassen.«
Der Wachtmeister geriet keineswegs in Verlegenheit, da ihn sein Amt vor jeder persönlichen Erniedrigung schützte. Aber die ehrfurchtgebietende Erscheinung des alten Mannes verfehlte ihre Wirkung nicht, und so verzichtete er auf eine scharfe Entgegnung. »Soviel ich weiß, heißt du Ifor ap Morgan. Ich bin William Warden, ein Wachtmeister im Dienste Gilbert Prestcotes, des Landrats von Shropshire, und ich muß Edwin Gurney festnehmen, weil er unter Mordverdacht steht. Man hat mich beauftragt, ihn nach Shrewsbury zu bringen, wo er unter Anklage gestellt werden soll, und ich werde tun, wozu ich verpflichtet bin. Auch du bist dem Gesetz verpflichtet.«
»Aber nicht dem englischen Gesetz«, erwiderte Ifor.
»Ein Mord ist ein Mord - nach allen Gesetzen! Und in diesem Fall wurde ein Giftmord verübt, mein Herr!«
Cadfael warf einen Blick auf Edwin, der bleich und reglos dastand, eine Hand ausgestreckt, um sie flehend und tröstend auf Ifors Arm zu legen. Doch in seiner Scheu vor dem würdigen alten Mann wagte er es anscheinend nicht, die Geste zu vollenden. Cadfael tat es für ihn. Sanft griff er nach dem dünnen Handgelenk des Hausherrn. Denn was immer man jetzt sagen oder planen mochte - sie würden den Jungen mitnehmen. Drei Beamte waren in die Stube eingedrungen, zwei hatten sich hinter dem Haus postiert - wie sollte man eine fünfköpfige Truppe aufhalten? Der Wachtmeister war ein hochmütiger, selbstsicherer Mann, der womöglich kleinliche Rache für erlittene Rückschläge und unverschämte Quertreibereien üben würde. Andererseits sorgte er sich vielleicht um seine eigene Haut, da er sich vor einem charakterfesten stellvertretenden Landrat wie Beringar verantworten mußte, der seine eigenen Vorstellungen über den richtigen Umgang mit Gefangenen hatte. Jedenfalls war es besser, Warden nicht zu verärgern, wenn sich ein bißchen Vernunft und Höflichkeit viel günstiger für Edwin auswirken könnten.
»Wachtmeister, du kennst mich, und du weißt, daß ich nicht an die Schuld dieses Jungen glaube. Aber ich kenne auch dich, und ich weiß, daß du deine Pflicht zu erfüllen hast. Du mußt deinen Befehl befolgen, und wir dürfen uns nicht in deinen Weg stellen. Sag mir, war es Hugh Beringar, der dich hier hergeschickt hat mit dem Auftrag, mich aufzuspüren? Was hat dich zu diesem Haus geführt?«
Der Wachtmeister war keineswegs abgeneigt, seine klugen Schachzüge in allen Einzelheiten zu schildern. »Nein, Bruder, wir kamen gar nicht auf den Gedanken, dir nachzureiten, denn wir dachten, du würdest bald wieder in der Abtei eintreffen.
Aber als Hugh Beringar mit leeren Händen von seiner verrückten Suchaktion am Fluß zurückgekehrt war und hörte, du hättest ihn sprechen wollen, ging er ins Kloster. Dort erfuhr er, du wärst in den Norden geritten, nach Rhydycroesau. Da dieser Ort in der Nähe von Bonels Landgut liegt, erwachte mein Mißtrauen, und so beschloß ich, mit einer kleinen Truppe aufzubrechen und herauszufinden, was du hier treibst. Der Gutsverwalter dachte sich nichts dabei, als ein Beamter aus Shrewsbury nach Bruder Cadfael fragte, ebensowenig wie die Dienstboten. Man gab mir bereitwillig Auskunft
Weitere Kostenlose Bücher