Das Mönchskraut
von einem Weidenzaun umgeben. Auf der kleinen Wiese wirst du seine weißen Ziegen sehen. Um Ifor ap Morgan zu besuchen, mußt du ein ganzes Stück weiterreiten. Bleib auf dem Weg, bis du den Bergpaß hinter dir hast und ins Tal hinabschauen kannst. Dann biegst du nach rechts und kommst zu der Furt durch unseren Fluß, kurz vor seiner Mündung in den Cynllaith.
Nach einer halben Meile wendest du dich wieder nach rechts und reitest zwischen die Bäume. Bald wirst du ein kleines Holzhaus sehen. Dort wohnt Ifor. Er ist schon uralt, aber er lebt immer noch allein.«
Cadfael dankte ihm und stieg auf sein Pferd.
»Und was Owain betrifft«, fuhr der Junge hilfsbereit fort, »den könntest du in Llansilin treffen, wenn du noch zwei Tage in dieser Gegend bleibst, dann tritt nämlich das Bezirksgericht zusammen. Er führte einen Prozeß, der bei der letzten Sitzung verschoben wurde. Die Richter wollten sich erst mal die Ländereien ansehen, um die es geht. Das Urteil wird übermorgen verkündet. Sie wollen nicht, daß es über Weihnachten böses Blut zwischen den Leuten gibt. Owains Hof liegt hinter der Stadt, aber du wirst ihn sicher in der Kirche von Llansilin finden. Einer seiner Nachbarn hat einen Grenzstein woanders aufgestellt - zumindest behauptet er das.«
Der Junge hatte mehr verraten, als ihm bewußt war, und er ahnte nichts von dem Eindruck, den er auf Cadfael gemacht hatte. Eine Frage, vielleicht die allerwichtigste, war beantwortet worden, ohne daß Cadfael sie gestellt hatte.
Cynfrith ap Rhys - die Verwandtschaft schien von Rhyses zu strotzen, und vermutlich mußte man in manchen Fällen die Familiengeschichte um drei Generationen zurückverfolgen, wenn man sie voneinander unterscheiden wollte - war leicht zu finden und keineswegs abgeneigt, sich mit einem Benediktinermönch zu unterhalten, nachdem er festgestellt hatte, daß dieser Walisisch sprach. Freundlich bat er Cadfael in sein Haus, und die Einladung wurde bereitwillig angenommen.
Er bewohnte nur ein einziges Zimmer, an das eine winzige Küche grenzte - offensichtlich die Domäne eines Junggesellen.
Außer Cynfrith, ein paar Hühnern und Ziegen ließen sich keine Lebewesen blicken. Er war ein vierschrötiger, grobknochiger Waliser mit drahtigem schwarzem Haar, das an den Schläfen ergraute und am Oberkopf eine kleine Glatze einrahmte.
Zahllose Fältchen umgaben seine gutmütigen Augen, so wie bei den meisten älteren Menschen, die einen Großteil ihres Lebens im Freien verbracht haben. Er bot Cadfael Brot, Ziegenkäse und süße, verschrumpelte Äpfel an.
»Die gute alte Seele lebt also immer noch! Ich habe oft an Rhys gedacht. Er ist der Vetter meiner Mutter, nicht meiner, aber ich kannte ihn recht gut. Jetzt muß er an die Achtzig sein.
Und er fühlt sich immer noch wohl in seinem Kloster? Ich würde ihm gern ein Fläschchen Schnaps schicken, wenn du so nett wärst, es mitzunehmen, Bruder. Ich habe ihn selbst gemacht, und er wird ihm gerade im Winter guttun. Ab und zu ein kleiner Schluck - das stärkt das Herz und kann dem Hirn nicht schaden. Also denkt er noch an uns, ja, ja ... Wenn ich meinen Bruder Owain sehe, werde ich ihm von Rhys erzählen. Er hat eine gute Frau und zwei erwachsene Söhne, das mußt du Rhys sagen. Elis, der ältere, will im Frühling heiraten. Übermorgen werde ich Owain treffen, im Bezirksgericht von Llansilin. Er wartet dort auf eine Urteilsverkündung.«
»Das hat man mir in Mallilie mitgeteilt«, bemerkte Cadfael.
»Ich wünsche deinem Bruder viel Glück.«
»Nun ja, er behauptet, daß sein Nachbar Hywel Fychan einen Grenzstein versetzt hat, und das glaube ich - aber ich will nicht verraten, was Owain dem alten Hywel schon alles angetan hat. So was ist ein beliebter Zeitvertreib bei uns. Dir brauche ich das nicht zu sagen, weil du einer von den unseren bist. Die Leute machen alles wieder rückgängig, wenn das Gericht sie dazu verpflichtet, und ein paar Wochen später versuchen sie's wieder. Das ist nicht böse gemeint. Zu Weihnachten werden Owain und Hywel sicher miteinander trinken.«
»Das sollten wir alle tun«, erwiderte Cadfael salbungsvoll.
Sobald es die Höflichkeit erlaubte, verabschiedete er sich, wobei er wahrheitsgemäß erklärte, er hätte noch etwas zu erledigen, und die Dunkelheit würde bald hereinbrechen. Dann ritt er weiter den Fluß entlang, gerührt über Cynfriths offenherzige Gastfreundschaft. Die kleine Flasche mit dem hausgemachten Schnaps schaukelte in seinem Ranzen, und er war froh,
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