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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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häßlichen Schnitt, der von meiner untersten Rippe bis zur Schulter reichte, zu legen. Seinen Gesichtsausdruck konnte ich unter der dunklen Pracht seines Bartes nicht wahrnehmen. Aber seine plötzliche Unbeweglichkeit war Ausdruck genug. Er sagte leise: »Was ist passiert, Calvert?«
    »Quinn. Ich traf ihn im Panzerschrank der ›Nantesville‹.« Er kam auf mich zu und half mir, den Verband anzulegen. Als wir fertig waren, sagte er: »Quinn ist tot.« Es war keine Frage.
    »Quinn ist tot, er hat seine eigene Luftleitung durchschnitten.« Ich erzählte ihm, was passiert war. Er sagte nichts. Auf dem Weg zurück nach Craigmore sprach er kaum ein Dutzend Worte. Ich wußte, daß er mir nicht glaubte. Ich wußte, daß er es mir nie glauben würde.
    Auch Onkel Arthur glaubte mir nicht. Er würde es mir bis zum Tage seines Todes nicht glauben. Aber seine Reaktion war eine ganz andere. Er zeigte vollste Zufriedenheit. In seiner eigenen onkelhaften Art war er ein Mensch von absoluter Unbarmherzigkeit. Er schien in der Tat die Hälfte der angeblichen Exekution sich selbst zuzuschreiben. »Es ist noch keine vierundzwanzig Stunden her«, sagte er am Teetisch, »daß ich Calvert den Befehl erteilte, diesen Mann zu finden und ihn, ganz gleich durch welche Methoden auch immer, zu vernichten. Ich muß zugeben, daß ich niemals daran gedacht habe, daß die Methode eine messerscharfe Klinge gegen eine Luftleitung sein würde. Sehr schön gemacht, mein Junge. Wirklich sehr schön gemacht.«
    Charlotte Skouras glaubte mir. Ich weiß nicht warum, aber sie glaubte mir, während sie meinen laienhaft angelegten Verband abnahm, die Wunde säuberte und mich äußerst sorgfältig wieder verband, was ich ohne mit der Wimper zu zucken, wenn auch zähneknirschend durchstand, weil ich ihren Glauben an einen Geheimagenten nicht zerstören wollte, indem ich laut aufschrie. So erzählte ich ihr, was passiert war, und ohne jeden Zweifel und ohne mich zu fragen, glaubte sie mir. Ich dankte ihr für den Verband und für ihren Glauben, und sie lächelte.
    Sechs Stunden später, zwanzig Minuten vor unserer für elf Uhr abends festgesetzten Abfahrt mit der ›Firecrest‹ lächelte sie nicht mehr. Sie betrachtete mich so, wie Frauen einen im allgemeinen ansehen, wenn sie wissen, daß etwas, was sie sich fest vorgenommen haben zu erreichen, doch keinen Erfolg haben wird. Ein nicht gerade liebevoller Blick.
    »Es tut mir leid, Charlotte«, sagte ich. »Es tut mir wirklich leid, aber es geht nicht. Sie kommen auf keinen Fall mit. Das ist mein letztes Wort.« Sie trug schwarze Hosen und einen Pullover, wie jemand, der entschlossen war, uns auf unserer mitternächtlichen Spritztour zu begleiten. »Wir haben kein Picknick auf der Themse vor. Es wird eine Schießerei geben. Glauben Sie, ich will zusehen, wie Sie umgebracht werden?«
    »Ich werde unter Deck bleiben«, beschwor sie mich. »Ich werde mich aus jeder Gefahr heraushalten. Bitte, Philip, lassen Sie mich mitkommen.«
    »Nein!«
    »Sie haben gesagt, daß Sie alles in der Welt für mich tun würden. Erinnern Sie sich?«
    »Das ist unfair, das wissen Sie genau. Ich habe gemeint, alles, was Ihnen von Nutzen sein kann. Nicht etwas, wobei Sie umgebracht werden könnten. Nicht gerade Sie, von allen Menschen.«
    »Von allen Menschen? Halten Sie so viel von mir?«
    Ich nickte.
    »Bedeute ich Ihnen so viel?«
    Wieder nickte ich. Sie sah mich lange Zeit an, die Augen weit geöffnet und fragend. Ihre Lippen bewegten sich, als ob sie etwas sagen wollte, und dann sprach sie doch nicht. Sie ging einen Schritt auf mich zu, warf ihre Arme um meinen Nacken und schien mir das Genick brechen zu wollen. Zumindest fühlte es sich so an, denn Quinns liebevolle Behandlung spürte ich an dieser Stelle immer noch. Aber sie wollte mir das Genick gar nicht brechen. Sie klammerte sich an mich, so wie man sich an einen Menschen klammert, von dem man weiß, daß man ihn nie wiedersehen wird. Vielleicht fühlte sie sich dem Tode geweiht, vielleicht war sie hellsichtig, vielleicht sah sie im Geiste schon den alten Calvert mit dem Gesicht nach unten in den finsteren Gewässern des Bootshauses von Dubh Sgeir schwimmen. Wenn ich daran dachte, sah ich mich schon selber in dieser Lage – kein hübscher Anblick. Langsam wurde es etwas schwierig für mich zu atmen, da ließ sie mich urplötzlich los. Halb führte sie mich, halb stieß sie mich aus ihrem Zimmer, und dann schloß sie die Tür zu. Ich hörte, wie der Schlüssel umgedreht

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