Das Mörderschiff
'runter.« Ich ließ den Anker 'runter. Nicht den normalen schweren Anker, sondern einen kleineren an einem Tau von vierzig Faden. Er verschwand geräuschlos im Wasser, und das Tau folgte genauso unhörbar. Ich ließ die ganzen vierzig Faden herunter, so schnell ich konnte. Dann ging ich zum Steuerhaus zurück und schnallte mir die Druckzylinder auf den Rücken.
»Also vergessen Sie nicht«, sagte Hutchinson, »wenn Sie nach oben kommen, lassen Sie sich treiben. Die Ebbe beginnt von Nordnordost und wird Sie hierher zurückbringen. Ich lasse außerdem die Maschine laufen, so daß Sie den Unterwasserauspuff auf eine Entfernung von zwanzig Metern hören können. Ich hoffe nur, daß der Nebel nicht hoch geht. Das würde bedeuten, daß Sie nach Dubh Sgeir schwimmen müßten.«
»Das wäre wirklich reizend. Und was machen Sie, wenn es sich aufklärt?«
»Dann kappe ich den Anker und fahre los.«
»Und wenn sie Sie verfolgen?«
»Mich verfolgen? Einfach so? Das würde bedeuten, daß zwei oder drei tote Taucher dort unten zurückbleiben.«
»Ich wünschte nur«, sagte ich wütend, »daß Sie jetzt nicht von toten Tauchern in der ›Nantesville‹ reden würden.«
An Bord der ›Nantesville‹ befanden sich drei Taucher. Sie waren nicht tot, sondern arbeiteten wie die Wilden, das heißt, so schnell, wie man mit langsamen Bewegungen unter großem Druck im Wasser arbeiten kann.
Das Herunterkommen war nicht schwierig gewesen. Ich war an der Oberfläche auf das Tauchboot zugeschwommen, wobei mir das Kompressorengeräusch klar die Richtung wies, und als ich noch drei Meter davon entfernt war, tauchte ich. Meine Hände berührten Kabel, Rettungsleinen und endlich eine Trosse.
Ich hielt in meinem Abstieg an der Trosse inne, als ich einen schwachen Lichtschein unter mir erblickte. Dann schwamm ich von der Trosse fort nach unten, bis meine Füße festen Boden berührten. Ich war auf dem Deck der ›Nantesville‹. Vorsichtig bewegte ich mich auf die Lichtquelle zu.
Dort standen zwei von ihnen in ihren beschwerten Stiefeln am Rand einer offenen Luke. Wie ich erwartet hatte, trugen sie nicht wie ich eigenständige Taucherkleidung, sondern den normalen Taucherhelm und den Taucheranzug mit Luftleitung und Rettungsleitung. Ganz gewiß waren die Rettungsleitungen mit Telefondrähten gekoppelt. Eigenständiges Tauchgerät hätte hier unten auch nicht viel genutzt. Für Sauerstoff war es zu tief, und komprimierte Luft begrenzte die Zeitdauer zu sehr. In diesen Anzügen konnten sie sich mindestens eineinhalb Stunden unten aufhalten. Allerdings mußten sie dreißig bis vierzig Minuten wegen des Druckausgleichs auf ihrem Weg nach oben zubringen. Ich wollte in kürzerer Zeit, ich wollte am liebsten sofort wieder nach oben. Mein Herz schlug in einem heftigen Trommelwirbel gegen die Brust. Aber das war nur der Wasserdruck, wie ich mir selbst sagte. Das konnte unmöglich Angst sein. Dafür war ich doch viel zu tapfer.
Die Trosse, die ich benutzt hatte, um mich zur ›Nantesville‹ herunterzulassen, endete in einem großen Metallring, an dem vier Ketten mit einem rechteckigen Stahlkorb hingen. Die beiden Taucher beluden diesen Korb mit Stahlkisten, die sie aus dem Innern des Schiffsbauchs ungefähr im Abstand von je einer Minute herausholten. Die Stahlkisten waren klein, aber offensichtlich sehr schwer. In jeder befanden sich vier Goldbarren im Gewicht von je fünfundzwanzig Pfund. Jede Kiste enthielt ein Vermögen. Insgesamt befanden sich dreihundertsechzig solcher Vermögen an Bord der ›Nantesville‹.
Ich versuchte in etwa die Anzahl der Entladungen zu kalkulieren. Der Stahlkorb faßte sechzehn Kisten. Ladezeit sechzehn Minuten. Weitere zehn Minuten, ihn zum Tauchboot hochzuwinden, zu entladen und wieder herunterzubringen. Das bedeutete etwa vierzig in der Stunde. In eineinhalb Stunden etwa sechzig. Nach neunzig Minuten würden sie die Taucher auswechseln müssen. Weitere vierzig Minuten, wobei zwei Pausen von, sagen wir, zwölf und vierundzwanzig Minuten zum Druckausgleich nötig waren, bis sie an die Oberfläche kamen. Dann weitere zwanzig Minuten, während die Taucheranzüge gewechselt wurden und die andern Taucher nach unten gingen. Alles in allem wenigstens eine Stunde. Das bedeutete, daß sie alle zweieinhalb Stunden sechzig Kisten herausbringen konnten oder vierundzwanzig in der Stunde. Die einzige Frage war: Wie viele Kisten lagen noch im Panzerschrank der ›Nantesville‹?
Das mußte ich herausfinden, und zwar sofort. Ich
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