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Das Mörderschiff

Das Mörderschiff

Titel: Das Mörderschiff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alistair MacLean
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hatte nur die beiden Druckluftzylinder mit an Bord der ›Firecrest‹ genommen und von den zweihundert Atmosphären, die in ihnen waren, schon einen Großteil verbraucht. Die Trosse bewegte sich, und der gefüllte Korb begann nach oben zu steigen, wobei die Taucher aufpaßten, daß er sich nicht in den Aufbauten der ›Nantesville‹ verfing. Dies taten sie mit Hilfe einer Führungsleine. Ich bewegte mich vorwärts von der Ecke, die der geöffneten Luke am nächsten war, wobei ich am weitesten entfernt von dem Punkt zu bleiben versuchte, wo die beiden Taucher standen. Ich schwang mich unbemerkt, wie ich annahm, hinein, denn der Schein ihrer Lampe war sehr begrenzt, und sie konnten mich unmöglich dort, wo ich stand, gesehen haben.
    Meine Hände, die bereits durch das eisige Wasser klamm und abgestorben waren, berührten einen Luftschlauch und eine Rettungsleine und zuckten sofort zurück. Unter mir, zu meiner Rechten, konnte ich einen weiteren schwachen Lichtstrahl wahrnehmen. Ein paar vorsichtige Schwimmstöße, und dann sah ich den Ursprung des Lichts.
    Das Licht bewegte sich. Es bewegte sich deshalb, weil es am Helm des Tauchers angebracht war, und zwar so, daß es in einem Winkel von etwa fünfundvierzig Grad nach unten schien. Der Taucher befand sich im Panzerschrank.
    Sie hatten den Panzerschrank nicht mit einem Sicherheitsschlüssel geöffnet, sondern seitlich mit einem Unterwasserschweißbrenner aufgeschnitten, und zwar in Form eines Rechtecks, etwa ein Meter achtzig mal ein Meter zwanzig. Ich bewegte mich auf die Öffnung zu und steckte meinen Kopf hinein. Hinter dem sich gerade bückenden Taucher befand sich noch ein anderes Licht, das an der Decke befestigt war. Die Kisten mit den Goldbarren waren säuberlich in Reihen an der Seite aufgestapelt, und ich brauchte etwa fünf Sekunden, um ihre Anzahl zu errechnen. Von den ursprünglich dreihundertsechzig Kisten waren noch etwa einhundertzwanzig übrig.
    Etwas streifte meinen Arm und glitt an ihm ab. Ich sah nach unten und erkannte, daß es ein Nylonseil war, an dem der Taucher zog, um es um den Griff einer der Kisten zu winden.
    Sein Rücken war mir zugewandt. Es bereitete ihm Schwierigkeiten, das Seil zu befestigen, aber endlich gelang es ihm mit zwei Knoten. Und nun zog er ein Messer aus dem Gürtel. Ich wunderte mich darüber, was er mit dem Messer wollte.
    Ich sollte schnell herausfinden, wofür das Messer gedacht war. Für niemanden anderen als für mich. Gebückt, wie er dagestanden hatte, konnte er nur einen flüchtigen Schatten von mir erkannt haben, oder er hatte den plötzlichen Druck und das Loslassen des Nylonseils gespürt, oder aber sein sechster Sinn befand sich in einer besseren Verfassung als der meine. Ich will nicht behaupten, daß er sich herumwarf, denn in einem schweren Taucheranzug in solcher Tiefe wird jede Bewegung so langsam, daß sie Zeitlupentempo entspricht.
    Auf jeden Fall bewegte er sich zu schnell für mich. Es war nicht einmal so sehr mein Körper, der zu langsam reagierte, sondern mein Gehirn. Er hatte sich jetzt umgewandt und stand in einer Entfernung von nicht viel mehr als einem Meter, das Gesicht mir zugewandt. Und ich war noch immer da, wo ich schon gewesen war, als er die erste Bewegung gemacht hatte. Meine Reaktionen und meine Aktivität entsprachen ungefähr der eines Zementsackes. Das Messer lag mit seiner ungefähr fünfzehn Zentimeter langen Klinge in seiner gesenkten Hand und zeigte auf mich. Und jetzt konnte ich sein Gesicht klar erkennen. Gott allein weiß, wofür er das Messer brauchte. Es mußte sich dabei um eine Reflexbewegung gehandelt haben, denn er brauchte kein Messer, um mit mir fertigzuwerden. Er hätte nicht einmal ein Messer gebraucht, um mit zwei Menschen in meiner Verfassung fertigzuwerden.
    Es war Quinn.
    Ich beobachtete mit einer eigenartigen, fast paralysierten Spannung sein Gesicht. Ich beobachtete sein Gesicht, um festzustellen, ob sein Kopf sich nach unten senken würde, um den Telefonknopf mit dem Kinn herunterzudrücken. Aber sein Kopf bewegte sich nicht. Niemals in seinem Leben hatte Quinn um Hilfe gerufen, und er würde es auch jetzt nicht tun. Statt dessen verzogen sich seine Lippen zu einem beinahe engelsgleichen Lächeln. Meine Maske machte es fast unmöglich, mein Gesicht zu erkennen, aber er wußte, wer da war. Er wußte, mit wem er es zu tun hatte, ohne auch nur im geringsten zu zweifeln. Er hatte das Gesicht eines Menschen, der sich in einem Zustand höchster religiöser Ekstase

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