Das Mörderschiff
können doch nicht einfach hier als öffentlicher Scharfrichter tätig sein.«
»Das kann ich und das werde ich auch, solange es sich dabei um die Wahl handelt, sie oder ich.«
»Sie haben ja recht. Sie haben ja recht.« Er stöhnte. »Ich muß zugeben, wenn man Ihre Berichte von Ihren verschiedenen Unternehmungen liest, kommt es einem ganz anders vor, als wenn man dabei ist. Ich muß außerdem zugeben, daß es ganz beruhigend ist, Sie in einem solchen Augenblick um sich zu haben. Gut, lassen Sie uns diesen Mann der Polizei übergeben.«
»Ich möchte lieber vorher noch einmal zur ›Shangri-la‹ fahren, um mich nach Hunslett umzuschauen, Sir.«
»Aha! Um nach Hunslett zu sehen. Ist es Ihnen vielleicht schon eingefallen, Calvert, daß man uns dort, wenn man uns feindlich gesinnt ist – Sie haben ja gesagt, die Möglichkeit besteht –, gar nicht gestattet, nach Hunslett zu suchen?«
»Gewiß Sir, es ist nicht meine Absicht, die ›Shangri-la‹ mit der Waffe in der Hand zu durchsuchen. Ich würde keine fünf Meter weit kommen. Ich möchte nur nach ihm fragen, ob ihn einer gesehen hat. Wenn wir annehmen, daß sie wirklich die Banditen sind, dann wäre es höchst aufschlußreich, ihre Reaktionen zu beobachten, wenn auf einmal ein Totgeglaubter zu ihnen an Bord kommt. Besonders wenn der tote Mann von einem Boot kommt, zu dem sie erst vor kurzem ein paar Mörder ausgeschickt haben. Und glauben Sie nicht, daß es noch aufschlußreicher für uns sein wird, sie zu beobachten, während die Zeit vergeht und weder der erste noch der zweite Mörder, den sie weggeschickt haben, zurückkehrt?«
»Immer unter der Annahme, daß es die Banditen sind, das meinen Sie doch.«
»Ich werde es genau wissen, noch ehe wir uns von ihnen verabschieden.«
»Und wie erklären wir es, daß wir beide einander kennen?«
»Wenn sie wirklich so weiß wie die Lilien im Felde sind, dann müssen wir es ihnen nicht erklären, und wenn sie es nicht sind, dann glauben sie uns sowieso kein einziges Wort.«
Ich holte eine Litzenschnur aus dem Steuerhaus und führte unseren Gefangenen in die hintere Kabine. Ich befahl ihm, sich hinzusetzen und den Rücken gegen einen der Generatoren zu lehnen. Er tat es. Widerstand war das letzte, woran er im Augenblick dachte. Ich band ihn fest an den Generator. Seine Füße band ich einzeln noch einmal an zwei Streben fest. Die Hände ließ ich ihm frei. Er konnte sich bewegen und das Handtuch benutzen. Außerdem stellte ich ihm einen Eimer mit frischem Wasser hin, so daß er sich damit sein Gesicht kühlen konnte, wenn ihm danach war. Er war außer Reichweite irgendeines Glases oder eines scharfen Instruments, das er dazu hätte benützen können, sich zu befreien oder sich umzubringen, wobei mir letzteres eigentlich ziemlich gleichgültig war. Ich startete die Maschinen, zog den Anker hoch, schaltete die Navigationslichter ein und fuhr auf die ›Shangri-la‹ zu. Ganz plötzlich war ich nicht mehr müde.
S ECHSTES K APITEL
Mittwoch: zwanzig Uhr vierzig
bis zweiundzwanzig Uhr vierzig
N icht ganz zweihundert Meter von der ›Shangri-la‹ entfernt ließ ich den Anker etwa fünfundzwanzig Meter ins Wasser hinunter. Ich löschte die Navigationslichter und zündete alle Lichter im Steuerhaus an, dann ging ich in den Salon und schloß die Tür hinter mir.
»Wie lange sollen wir jetzt hier warten?« fragte Onkel Arthur.
»Nicht lange. Ich schlage vor, daß Sie sich Ihr Ölzeug anziehen, Sir. Wir warten nur noch den nächsten Regensturz ab, und dann gehen wir. Ich bin überzeugt, daß sie ihre Nachtgläser bereits von der Bucht aus auf uns gerichtet haben, glauben Sie nicht?«
»Ohne jeden Zweifel. Sicher beobachten sie uns jetzt von überallher. Sie werden sich die größten Sorgen machen und sich wundern, was zum Teufel wohl schiefgegangen ist und was ihren beiden Spielgefährten, die sie geschickt haben, um uns zu interviewen, passiert ist. Vorausgesetzt, es handelt sich bei ihnen um die Banditen.«
»Sie werden auf jeden Fall noch einmal versuchen, festzustellen, was los ist.«
»Jetzt noch nicht. Nicht vor ungefähr ein bis zwei Stunden. Sie werden darauf warten, daß ihre beiden Freunde endlich auftauchen. Vielleicht glauben sie, daß es etwas länger gedauert hat, bis sie an die ›Firecrest‹ herangekommen sind, und daß wir schon den Anker hochgezogen hatten, ehe sie zu uns kamen. Oder vielleicht nehmen sie auch an, daß sie Schwierigkeiten mit ihrem Schlauchboot hatten.« Ich hörte das
Weitere Kostenlose Bücher