Das Mörderschiff
anderen Toten können wahrscheinlich nicht mehr geborgen werden. Dann werden Sie zur ›Shangri-la‹ hinausrudern und dort Kapitän Imrie sagen, daß wir Hunslett und den anderen Mann, den Italiener, zu Ihrer Dienststelle gebracht haben. Sie werden ihnen erzählen, daß Sie hörten wie wir darüber sprachen, daß wir zum Festland zurückfahren müßten, um uns ein neues Echolot zu besorgen und gleichzeitig bewaffnete Hilfe anzufordern. Und daß wir mindestens zwei Tage weg sein würden. Wissen Sie, wo die Telefonlinien im Sund unterbrochen sind?«
»Ja, Sir. Ich habe sie selbst durchschnitten.«
»Wenn Sie von der ›Shangri-la‹ zurückkommen, gehen Sie dorthin und reparieren Sie sie, und zwar noch vor Tagesanbruch. Sie, Ihre Frau und Ihr Sohn müssen noch vor Tagesanbruch morgen früh verschwinden. Für sechsunddreißig Stunden. Wenn Sie noch weiterleben wollen. Ist das klar?«
»Ich verstehe, was ich tun soll. Ich verstehe nicht, warum Sie wollen, daß ich das tue.«
»Tun Sie es nur! Und noch etwas. Hunslett hat keine Verwandten – nur wenige meiner Leute haben welche –, er kann also ruhig in Torbay beerdigt werden. Wecken Sie noch den Totengräber im Ort und ordnen Sie ein Begräbnis für Freitag an. Calvert und ich möchten gern dabeisein.«
»Aber – aber für Freitag? Das ist ja schon übermorgen.«
»Das ist übermorgen. Bis dahin wird alles vorbei sein. Und auch Ihre Jungen werden dann wieder zu Hause sein.«
MacDonald sah ihn lange schweigend an. Dann sagte er langsam: »Wie können sie nur so sicher sein?«
»Ich bin überhaupt nicht sicher.« Onkel Arthur strich sich mit der Hand müde über das Gesicht, und dann sah er mich an. »Aber Calvert ist sicher. Es ist ein Jammer, Polizeimeister, daß die Geheimhaltungsvorschriften es Ihnen nie gestatten werden, Ihren Freunden zu erzählen, daß Sie einmal Philip Calvert gekannt haben. Wenn es überhaupt einem Menschen gelingen kann, dann nur Calvert. Ich glaube, daß er es schafft. Auf jeden Fall hoffe ich es.«
»Ich kann mich dieser Hoffnung nur anschließen, Sir«, sagte MacDonald feierlich.
Ich auch. Und zwar noch mehr als jeder der beiden. Da aber schon so viel Verzweiflung im Raum herrschte, schien es mir nicht richtig, sie noch zu verstärken. Deshalb setzte ich ein zuversichtliches Gesicht auf und führte MacDonald zum Maschinenraum zurück.
S IEBENTES KAPITEL
Mittwoch: zweiundzwanzig Uhr vierzig
bis Donnerstag zwei Uhr früh
D rei von ihnen kamen, um uns umzubringen. Nicht um Mitternacht, wie versprochen, sondern um 22 Uhr 40 am selben Abend. Nur fünf Minuten früher, und sie hätten uns erwischt. Denn fünf Minuten früher lagen wir noch am alten Pier. Und wären sie diese fünf Minuten eher gekommen, dann hätte der Fehler nur bei mir gelegen. Nachdem ich Hunslett auf der Polizeistation zurückgelassen hatte, bestand ich nämlich darauf, daß mich Polizeimeister MacDonald noch begleitete, um seine Autorität bei dem einzigen Apotheker am Ort in die Waagschale zu werfen, da ich von diesem ein bestimmtes Präparat haben wollte. Keiner von beiden war von der illegalen Hilfe, die ich verlangte, begeistert gewesen, und ich hatte mein ganzes Einschüchterungsrepertoire benötigt, um von dem alten Apotheker widerwillig ein Minimum an Dienstleistung und eine kleine grünliche Flasche zu erhalten, auf deren Etikett schlicht und einfach ›Die Tabletten‹ stand. Aber ich hatte Glück und war kurz nach 22 Uhr 30 wieder an Bord der ›Firecrest‹.
Die Westküste Schottlands ist nicht berühmt für ihren Altweibersommer, und diese Nacht machte keine Ausnahme. Abgesehen davon, daß sie kalt und windig war, was als üblich zu bezeichnen ist, war sie außerdem schwarz wie die Sünde, und dazu goß es wie aus Eimern, was zwar nicht ganz üblich ist, aber auch nicht so unüblich, daß man es als außergewöhnlich angesehen hätte. Eine Minute nachdem wir den Pier verlassen hatten, mußte ich den Scheinwerfer, der sich auf dem Dach des Steuerhauses befand, anmachen. Die westliche Einfahrt zum Sund vom Hafen von Torbay zwischen Torbay und der Insel Garve ist eine Viertelmeile breit, und ich hätte sie auch leicht mit dem Kompaß ansteuern können, aber zwischen dem Pier und der Einfahrt lagen kleine Jachten, und wenn diese irgendwelche Positionslichter gesetzt hatten, so waren sie in dem dichten Regen nicht zu erkennen.
Die Einstellung des Scheinwerfers befand sich vorn im Steuerhaus. Ich setzte sie so, daß der Strahl vorwärts und nach
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