Das Mörderschiff
allein angewiesen war. Weiter bedeutete es, daß ich meinen Plan radikal umstellen mußte, aber ich war mir nicht klar darüber, wie ich überhaupt etwas radikal ändern konnte.
»Gar nicht so schlecht«, sagte Onkel Arthur anerkennend. »Es ist schade wegen Quinn, aber sonst gar nicht so schlecht. Die Reihe der Schurken hat sich zufriedenstellend gelichtet. Glauben Sie, daß sie noch mal versuchen, uns anzugreifen?«
»Nein. Dafür gibt es vier Gründe. Erstens werden sie im Moment nicht wissen, was passiert ist. Zweitens sind ihre beiden Versuche heute abend gescheitert, und sie werden es nicht eilig haben, eine weitere derartige Expedition auszurüsten. Drittens müßten sie in diesem Fall den Tender benützen, nicht die ›Shangri-la‹, und wenn sie den Tender auch nur hundert Meter weit fahren können, dann freß ich einen Besen. Viertens kommt gerade Nebel oder zumindest starke Bewölkung auf. Wir können jetzt schon nicht mehr die Lichter von Torbay erkennen. Das heißt, sie können uns nicht folgen, weil sie nicht wissen, wo wir sind.«
Bis jetzt war die einzige Lichtquelle, die wir im Steuerhaus hatten, das reflektierte Licht des Kompasses gewesen. Plötzlich ging das Oberlicht an. Die Hand von Charlotte Skouras war am Schalter. Ihr Gesicht war eingefallen, und sie starrte mich an wie ein Wesen von einem anderen Stern. Die Zeit der anerkennenden und freundlichen Blicke schien vorbei.
»Was für ein Mensch sind Sie eigentlich, Mr. Calvert?« Kein ›Philip‹ diesmal. Ihre Stimme war tiefer und heiserer denn je, und sie klang gebrochen. »Sie sind kein Mensch. Sie morden zwei Männer und fahren dann fort, sich ruhig und überlegen zu unterhalten, so, als ob nichts passiert sei. Wer, um Himmels willen, sind Sie? Ein angeheuerter Mörder? Das ist – das ist einfach unmenschlich. Haben Sie denn keine Gefühle, keine Erregung, kein Bedauern?«
»Doch, schon. Es tut mir leid, daß ich Quinn nicht auch noch umgebracht habe.«
Sie starrte mich mit einem Ausdruck des Entsetzens an, dann wandte sie sich an Onkel Arthur. Sie sagte beinah flüsternd zu ihm: »Ich habe den Mann gesehen, Sir Arthur. Ich habe gesehen, wie sein Gesicht durch die Kugeln in Fetzen gerissen wurde. Mr. Calvert hätte – er hätte ihn gefangennehmen können. Ihn entwaffnen können und der Polizei übergeben. Aber das hat er nicht getan. Er hat ihn und den anderen umgebracht. Das war genauer und überlegter Mord. Warum, warum, warum?«
»Meine liebe Charlotte, da gibt es überhaupt keine Frage.« Sir Arthurs Stimme klang irritiert. »Das bedarf keiner Rechtfertigung. Calvert hat sie umgebracht, oder sie hätten uns umgebracht. Sie kamen hierher, um uns zu töten. Sie selbst haben uns das gesagt. Würden Sie auch nur die geringsten Bedenken haben, eine giftige Schlange zu zertreten? Diese Männer sind um kein Haar besser. Was ihre Verhaftung betrifft …« Onkel Arthur machte eine Pause, vielleicht um ein kurzes Lachen zu unterdrücken, vielleicht auch, weil er versuchte, sich an den Rest der Moralpredigt, die ich ihm am frühen Abend gehalten hatte, zu erinnern. »Bei diesem Spiel hier gibt es keine Zwischenstationen. Es heißt töten oder getötet werden. Diese Leute sind gefährlich und tödlich, und man warnt sie nicht noch vorher.« Der gute alte Onkel Arthur, er hatte wirklich beinah wörtlich die ganze Lektion behalten.
Sie sah ihn eine ganze Zeit lang fassungslos an. Dann sah sie mich an, drehte sich langsam um und verließ das Steuerhaus.
Ich sagte zu Onkel Arthur: »Sie sind genauso schlimm wie ich.«
Genau um Mitternacht erschien sie wieder und drehte, als sie eintrat, das Licht an. Ihr Haar war ordentlich gekämmt, und ihr Gesicht war etwas weniger geschwollen. Sie trug ein Kleid aus einem synthetischen Stoff, weiß, gerippt, in dem sie absolut nicht den Eindruck erweckte, daß sie eigentlich eine anständige Mahlzeit brauchte. Aus der Art, wie sie ihre Schultern hielt, konnte ich sehen, daß ihr der Rücken weh tat. Sie nickte mir mit einem verstohlenen Lächeln zu, ich erwiderte es nicht.
Ich sagte: »Vor einer halben Stunde, als wir Carrara Point umfuhren, habe ich fast den Leuchtturm mitgenommen. Jetzt kann ich nur hoffen, daß ich auf den Norden von Dubh Sgeir zusteure. Vielleicht steure ich aber auch direkt in die Mitte. Schwärzer kann es auch nicht in einer verlassenen Kohlenmine sein, die sich eine Meile unter der Erde befindet. Der Nebel wird immer dichter. Ich bin kein erfahrener Seemann und versuche meinen
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