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Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Titel: Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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Es ist nur ein Aufstieg von acht Metern vom Anleger über die Leiter, aber niemand weiß, in welchem Zustand sich das Metall befindet. Wenn einem also oben zwischen den Verstrebungen die Sprossen unterm Arsch wegbrechen, landet man schneller in einem der abgebrochenen Holzbalken, als man Matjes sagen kann.“
    Harry atmete tief durch. Der fragende Blick war noch immer nicht aus Sems Gesicht gewichen.
    „Der Wellengang ist ein weiteres Problem. Die Sandbank fällt zum Meer hin stark ab. Dadurch wird das heranrollende Wasser ungewöhnlich schnell aufgetürmt und bricht sich vor und neben der Plattform mit Urgewalt. Je heftiger der Seegang, desto größer die Gefahr. Das sieht für heute also schon mal gar nicht gut aus.“
    Er deutete mit dem Arm durch das Küchenfenster in Richtung Meer, aber Sem winkte direkt ab. Er wollte allem Anschein nach von dem bedrohlich schnell heraufziehenden Unwetter nichts wissen. Ungerührt zuckte Harry mit den Schultern
    „Wie du meinst. Ist ja dein Leben“, sagte er und erläuterte ihm weitere Eigenheiten des Gebäudes, die aus den Bauplänen ersichtlich wurden.
     
    Nach einer geschlagenen Stunde waren sie damit durch und es hatte zu regnen begonnen. Harry faltete die Hände über seinem dicken Bauch zusammen und lehnte sich zurück.
    „Wann ist der nächste Scheitelpunkt für die Flut?“, wollte Sem wissen.
    „Gegen Mitternacht schätze ich“, antwortete Harry.
    „Dann brechen wir um zehn vom Strand aus auf“, entschied Sem nach kurzem Grübeln. „Du wirst jetzt die Sachen fertig machen, die wir brauchen. Ich lasse dich nicht aus den Augen.“
    Harry staunte. Herrjeh, das ist doch nicht dein Ernst. „Wir?“, fragte er dann unsicher.
    Sem antwortete, indem er den Pistolenlauf auf ihn richtete. Es war Antwort genug.
     
    ***
     
    Harry tat, was Sem befohlen hatte. Mühsam stand er auf, verließ das Zimmer und kniete sich im Abstellraum vor die Kiste. Er war nervös. Er wusste, das war seine Chance. Vielleicht war es die Einzige. Der Gedanke, die Pistole aus der Kiste in die Finger zu bekommen und Sem damit zu erschießen, ließen ihm abwechselnd kalte und heiße Schauer über den Rücken laufen. Sem stand hinter ihm im Türrahmen und beobachtete ihn. Harry spürte die argwöhnischen Blicke in seinem Rücken. Er leerte die Kiste mit den Materialien und packte sie in den bereitliegenden Seerucksack. Eine Menge Seil, Enterhaken, zwei Taschenlampen, ein Seemannsmesser, eine Packung Leuchtstoffknicklichter, ein wasserdichtes Funkgerät, Verbandszeug, die notwendigen Wasserkarten, ein GPS-Gerät und einen batteriebetriebenen Scheinwerfer. Harry agierte hektisch. Lieblos verstaute er alles in dem großen Rucksack. Die Waffe schien zum Greifen nah. Ganz unten auf dem Boden der Kiste würde sie in eine kleine Holzkiste eingepackt auf ihn warten. Mit einer fliegenden Handbewegung schob Harry die darüber liegenden Akten beiseite und stutzte. Sein Blick huschte über das Holz, dann schoben seine Finger die Akten auf die andere Seite der Kiste. Nichts! Das Kästchen war weg.
    Entsetzen und Enttäuschung vermischten sich in Harrys Kopf und ließen sein Herz heftig pochen.
    Herrjeh, verflixt und zugenäht!
    Er schaute zu Sem rüber, der das alles genau beobachtete.
    „Ist was?“ fragte er misstrauisch.
    Harry kratzte sich am Kopf. Es war keine gute Idee, Sem die Wahrheit zu sagen. Es sei denn, er war scharf darauf, sich vor Sonnenuntergang eine Kugel einzufangen. Denn das würde passieren, wenn Sem erführe, was Harry vorgehabt hatte. Die Waffe war weg und Sem musste nicht unbedingt wissen, dass sie überhaupt jemals dort gewesen war. Der Kerl hatte einen nervösen Zeigefinger und Harry war nicht in der Stimmung zu sterben. In seinem Kopf rasten die Gedanken, nur mühsam bekam er sie unter Kontrolle und zwang sich, nicht weiter über die Frage nachzudenken, wer - zum Teufel! - den Schießprügel aus seinem Versteck geklaut hatte … Musst jetzt ‘nen kühlen Kopf bewahren, Junge.
    „Es ist nichts. Fehlt nur ‘ne Packung Ersatzakkus für den Scheinwerfer. Ich glaube, ich habe sie für irgendetwas anderes benutzt“, log Harry und klappte die leere Kiste zu. Sem ging nicht weiter darauf ein, stattdessen fragte er: „War’s das?“
    Harry überlegte, wühlte in der Ecke des Abstellraums herum, bis er gefunden hatte, wonach er suchte, und warf Sem schließlich einen schwarzen Neoprenanzug und eine olivgrüne Rettungsweste zu.
    „Das wirst du brauchen. Das Wasser ist zwar nicht

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