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Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Titel: Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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Draußen am Himmel zuckte ein Blitz durch den schwarzen Himmel. Der dazugehörige Donner grollte lange und dunkel. Wind und Regen nahmen mit jeder Minute zu.
    Der Sturm war da, doch Sem würde sich nicht mehr umstimmen lassen.

 
    Kapitel 2
     
     
    22:00 Strand von Westenschouwen
    Das Wetter selbst schien ihn am Vorankommen hindern zu wollen. Der Wolkenbruch hatte vor einer halben Stunde eingesetzt. Es goss wie aus Eimern und ein baldiges Ende war nicht abzusehen. Harrys Wanderschuhe versanken im nassen Sand. Die vorbeifliegenden Böen rissen an seiner Regenjacke und der weiten Anglerhose. An einem kurzen Stück Tau zog er ein kleines motorisiertes Schlauchboot über den Strand. Auf zwei niedrigen hölzernen Sitzbänken bot es Platz für maximal vier Personen. Sie waren zu zweit. Sem war irgendwo am Heck und half, indem er schob. Viel mehr aber behielt er ihn von dort aus im Auge. Natürlich war Harry der Gedanke gekommen, in der Dunkelheit über den Strand Reißaus zu nehmen. Es war vermutlich die letzte Gelegenheit diesem Himmelfahrtskommando zu entkommen. Allerdings hatte Sem ein paar kleine Freunde und die waren alle schneller, als Harry jemals im Leben gerannt war. Das war ein Argument mit dem er sich dann doch lieber nicht messen wollte. Angst war etwas schreckliches, aber manchmal hinderte sie einen auch daran, fürchterlich dumme Dinge zu tun.
    Über den nächtlichen Himmel zuckten unzählige Blitze. Ein Donnerschlag nach dem anderen knallte in Harrys Ohren. Drumherum prasselte der Regen. Die Böen wechselten planlos die Richtung. Kamen mal von vorn, zerrten ihn zur Seite oder schoben ihn von hinten.
    Er hatte aufgegeben sich vorzustellen, welch todbringenden Wellen er bald ausgesetzt sein würde und versucht sich darauf zu fokussieren, dass er - alldem - nun nicht mehr entkommen konnte, ohne mit einem Einschussloch im Kopf oder Brustbereich zu enden. Sein derzeitiges Handeln zögerte also zumindest den Moment seines Ablebens heraus und das war das Positivste, was es dazu zu sagen gab.
     
    ***
     
    Unter immensen Anstrengungen ließen sie wenig später das Boot zu Wasser. Die brandenden Wellen schleuderten heftig gegen die Bordwand und warfen sie immer wieder zurück.
    Harry zitterte. Er fror, aber vor allen Dingen hatte er Angst. Eisige, nackte Angst. Als er das Boot ins tiefere Wasser schob und schließlich auf Biegen und Brechen hineinstieg, machte sich in ihm die ungreifbare Gewissheit breit, dass dies das letzte Mal gewesen sein würde, dass seine Füße festes Land berührten.
    Er nahm am Heck beim Außenbordmotor Platz, während sich Sem auf die vordere Sitzreihe schwang, den Scheinwerfer am Bug befestigte und sich dann zu Harry umdrehte. Er trug den Neoprenanzug unter den Klamotten und hatte die Rettungsweste angelegt. Die Waffe hatte er griffbereit in einen umfunktionierten Werkzeuggürtel gesteckt.
    „Herrjeh!“, brüllte Harry verzweifelt in den Sturm. „Du willst das also wirklich durchziehen? Was um alles in der Welt kann so wichtig sein, dass man dafür sein Leben aufs Spiel setzen muss?“
    „Hör auf zu fragen, Harry! Gib einfach Gas!“
    „Es ist nur Geld, vielleicht ein paar Schmuckstücke. Wenn die noch da sind, kann man sie immer noch holen, sobald sich das Wetter gebessert hat.“
    „Schnauze! Ich habe meine Gründe. Es geht um mehr als das Geld! Kapiert?! Es geht um so viel mehr“, fuhr Sem ihn an.
    „Aber du hast doch gesagt, dass…“
    Mit einem Ruck zog Sem die Waffe aus dem Gürtel und feuerte. Die Kugel flog scharf an Harrys Kopf vorbei.
    „Schnauze!“ schrie Sem. „Ich habe meine Gründe!“
    So irritiert wie eingeschüchtert von der plötzlichen Aufgebrachtheit und Sems viel- und dann wiederum nichtssagender Antwort, griff Harry nach dem Seilzughandstarter und warf den Motor an.
    Im Laufe der Nacht fragte er sich noch einige Male, welche Gründe Sem, abgesehen von Geld und Reichtum, wohl noch haben mochte. Er ahnte nicht, dass er darauf nie eine Antwort bekommen sollte.  
    Das ist doch alles krank , dachte er und schlug einen nordwestlichen Kurs ein.
     
    ***

 
    23:20
    Das kleine Motorboot näherte sich der Sandbank von Süden. Der starke Wellengang erschwerte sein Vorrankommen erheblich. Regen peitschte von oben und der Sturm pfiff heftig aus allen Richtungen. Es war das schlimmste Wetter, das man sich für einen Ausflug zur Sandbank hatte aussuchen können. Harry hatte Sem vergeblich gewarnt, dafür hatte dieser ihn beinahe erschossen. Sem hatte - allem

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