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Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)

Titel: Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Biesenbach
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ihm irgendwie als Erklärung für Sems seltsames Verhalten dienten. Ganz im Gegenteil. Harry verstand plötzlich nur noch Bahnhof. Er bekam aber nicht die Zeit nachzufragen. Sein Begleiter drückte ihm schon die übriggebliebene Taschenlampe in die Hand und gab ihm einen Stoß nach vorn.
    „Du gehst vor! Und lass die Lampe diesmal nicht fallen! Du weißt, was meine Begleiterin sonst mit dir anstellt.“
    Harry setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Die Holzdielen im Restaurant waren alt und knochentrocken. Im Schein der Taschenlampe bestätigte sich Commissaris Beelhams Bericht mehr und mehr. Zerschlagene Sitzmöbel und Tische wechselten sich mit übereinander gestapelten Kartons ab. Die Tapeten an der Wand waren an unzähligen Stellen bis tief ins Holz darunter aufgeschlitzt. An einigen Wandteilen hingen sie lose in den Raum hinein, teilweise hinunter bis auf den Boden. Und überall, wo er auch hin leuchtete, erblickte er die vergilbten Blätter einer niederländischen Regionalzeitung. Die Titelseite war immer die gleiche.
    Unter dem Namensschriftzug Rotterdams Dagblat stand in riesigen Lettern: LEBENSMITTELSKANDAL IM NOBELRESTAURANT.
    Unter dieser Überschrift prangte ein Foto, das einen großen schlanken Mann in weißer Kochmontur mit krausem Haar und kleinen dunklen Augen zeigte. Seine Nase ähnelte in erschreckender Weise der eines Möwenschnabels.
    Harry erkannte Ari Sklaatens Gesicht sofort.
    Wie oft hatte er sich das Bild, das Petr Stojic ihm damals mitgegeben hatte, angesehen? Unzählige Male.
     
    Sie kamen an eine Glaswand mit einer zwischen dicken Holzpfosten eingelassenen gläsernen Tür, die zu einem separaten Bereich des Restaurants führte. Auf einem schwarzen Schild stand in goldener Schrift eingraviert.
    Prive ! Meeuwenclub
    „ Ich glaube, das ist Sklaatens Privatbereich gewesen. Er hat dort seine Möwen gehalten“, flüsterte Harry und leuchtete durch das Glas, um besser sehen zu können.
    „Kommt man von dort aus auf die Terrasse?“, wollte Sem wissen. Er klang ungeduldig. Es schien ihn nicht sonderlich zu interessieren, wen oder was Ari Sklaaten in dem Bereich getrieben, gezüchtet oder gehalten hatte. Harry leuchtete umher. Der Lichtstrahl traf auf aufgebrochene Vogelkäfige, massenweise Federn und totes Vogelgerippe, der Boden war bedeckt mit Kot, von den Holzdielen war nichts mehr zu sehen. Die Tapeten waren zerschlissen. Nur die Sturmbrettern vor allen Fenstern befanden sich noch an ihren vorgesehen Plätzen. Der Lichtstrahl glitt die Wand entlang, bis er auf einen Bereich in der hintersten Ecke traf, dem irgendwann einmal eine Tür zugedacht gewesen sein mochte. Jetzt befand sich dort nichts und es regnete heftig hinein.
    „Da hinten ist eine Öffnung“, gab Harry Auskunft.
    „Mach die Tür auf, sofort!“ Sem schien es plötzlich sehr eilig zu haben.
    Harry spürte kaltes Metall in seinem Nacken, griff nach der Türklinke und drückte sie runter. Von der anderen Seite des Raumes her rauschte es.
     
    „ Prive , Prive , Prive ! Unbefugten Gästen schießt Ari den Zeh!“
     
    Rauschen, Stille, dann genau vor Harry auf dem Boden ein fürchterliches Knallen. Der heißglühende Schmerz breitete sich in seinem Bewusstsein aus, bevor er auch nur daran gedacht hätte, zur Seite zu springen.
     
    ***
     
    Das Licht der Taschenlampe fiel auf Harrys linken Schuh und den daneben stehenden Türbalken. Das Holz war am Sockel völlig zersprungen, einfach explodiert. Von Harrys Schuh fehlte das vordere Fünftel. Blut rann in Strömen aus dem zerfetzten Schuhwerk. Harrys Schreie füllten die Luft. Des Gleichgewichtes beraubt sank er zu Boden, bevor Sem ihn auffangen konnte.
    Das neuerliche Rauschen, das aus den Tiefen des Restaurants herüberhallte, ging in den Schreien unter, nicht jedoch Aris kalte Stimme.
     
    „Oh weh! Das war der dicke Zeh!“
     
    Sem nahm Harry den Rucksack von den Schultern und kramte nach dem Verbandszeug. Er fand es nicht, dafür zog er aber das Seemannsmesser daraus hervor.
    „Du hast’s in der Speisekammer weggeworfen“, keuchte Harry vorwurfsvoll. „Das Verbandszeug, du hast’s weggeworfen.“
    Ihm war schummerig und übel. Sein Kreislauf war völlig abgesackt. Sem steckte sich eines der Messer in die Hosentasche und legte das andere in Harrys Schoß. Die Situation war heikel. Sem griff nach Harrys zerfetztem Schuh, schnürte ihn auf und zog ihn - so vorsichtig wie möglich - mitsamt Socke vom Fuß. Harry winselte. Unter dem Licht der Taschenlampe war zu

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