Das Möwennest (Het Meeuwennest) (German Edition)
messerscharfen Stützpfahl enden kann. Es heißt außerdem, dass Sklaaten das Gebäude mit einer Unmenge an heimtückischen Fallen bestückt hat. Was aber nur ein weiteres Gerücht ist, das aufgekommen ist, weil drei der damals eingesetzten Polizisten mit tiefen Schnittverletzungen in den Beinen mit dem Boot abtransportiert werden mussten… “
Der Touristenführer blickte in die Gruppe. Faszination, Neugierde aber auch Grausen und Unwohlsein blickte ihm aus allen Augenpaaren entgegen, aus allen außer einem. Ein groß gewachsener Mann, vermutlich Mitte zwanzig, mit kurzen blonden Haaren, der seinen muskulösen Körperbau in ein zu enges schwarzes T-Shirt und eine lockere Leinenhose hüllte, starrte ihn unverwandt an.
Die Augen des Mannes ließen nicht von ihm ab. Er kannte den Kerl nicht, aber innerlich regte sich eine angestaubte, beinah vergessene Vermutung.
Kann das wirklich sein? Ist es also tatsächlich so weit gekommen , dachte er unwillkürlich. Einen Augenblick warfen ihn diese Gedanken völlig aus der Bahn. Zu lange hatte er darauf gewartet, um wirklich noch daran geglaubt zu haben. Jahre hatte er hier ausgeharrt und nun endlich hatten sie jemanden geschickt.
Erst als sich die Frau mit dem grünen Kleid wieder bemerkbar machte und weitere Informationen verlangte, riss es ihn zurück in die Realität.
„Äh, ja also. Auch wenn es von hier aus nicht so aussieht, aber das Gebäude besitzt eine Grundfläche von 200 m². Zusammen mit der teilweise eingestürzten Panoramaterrasse, die das gesamte Gebäude umgibt, sind es 350 m².“
„Ein riesiger Schuppen!“, staunte die Frau.
„In der Tat. Es war eines der größten Strandrestaurants Europas und nicht nur das...“
***
Sem van Taangen wandte sich ab. Der große Kerl mit dem schwarzen T-Shirt hatte genug gehört. Er war am richtigen Ort und er hatte den richtigen Mann gefunden. Jetzt musste er nur noch ein wenig warten. Lässig streifte er die hellen Sneakers und seine Socken ab, nahm sie in die Hand und machte ein paar Schritte Richtung Meer. Es war Flut und die Wellen rollten lang auf dem breiten Strandabschnitt aus. Die Buhne, von der die Glatze gesprochen hatte, war beinahe völlig überspült. Ein Zeichen dafür, dass die Ebbe bald wieder einsetzen würde. Auf den wenigen sichtbar gebliebenen Steinen stand der baufälligste Steg, den Sem je gesehen hatte. Das salzige Wasser hatte mit der Zeit an unzähligen Stellen an dem Holz genagt, es spröde und brüchig oder aber, in Wassernähe, faul werden lassen. Sem näherte sich der Konstruktion. Ein paar Meter davor blieb er stehen. An den unteren Querstreben hatten sich Muscheln und Tang abgelagert. Der Wind pfiff stramm vom Meer her und entlockte den maroden Verstrebungen bedrohlich klingende, seufzende und ächzende Geräusche. Mehrere Warnschilder mahnten eindringlich dazu, Abstand zu wahren. Van Taangen ließ sich davon nicht beeindrucken. Ungerührt vergrub er die Zehen im nassen Sand, ließ seine Schuhe zu Boden fallen und den Blick umherschweifen. Die Touristengruppe stand noch immer in einiger Entfernung beisammen. Einiges deutete jedoch darauf hin, dass der dicke Fremdenführer die Führung gerade beendet hatte. Die ersten Touristen lösten sich aus der Gruppe und schlenderten davon, bis nur noch die Frau im grünen Kleid wissbegierig neben dem Führer der Touristentour stand.
Das wird vermutlich noch etwas länger dauern. Neugierige, alte Schabracke , ärgerte sich Sem.
Am Himmel wechselten sich düstere Wolkenflecken und strahlend blauer Himmel ab. Es war ungewiss, welches Wetter später am Tag herrschen würde. Das beunruhigte Sem ein wenig, aber nicht zu viel. Er griff in seine linke Hosentasche und zog eine Packung Zigaretten und ein Sturmfeuerzeug heraus.
Ja, er hatte damit aufgehört , das hatte er seiner Freundin versprochen, aber in dieser heiklen Situation konnte sie ihm das wohl kaum übel nehmen.
Er steckte sich eine Zigarette an und ließ die Packung danach zurück in die Tasche gleiten.
Während er den Rauch durch Mund und Nase entweichen ließ, fixierten seine Augen Het Meeuwennest .
Eine beschissene Sache wird das . Ganz, ganz beschissen , dachte er und versuchte mehr Details des Gebäudes auszumachen, aber die Entfernung war zu groß. Zusätzlich wurde das Restaurant von ungewöhnlich dichten Nebelschwaden umhüllt, die sich um das Bauwerk herum zu konzentrieren schienen. Sem entdeckte außerdem eine ungewöhnlich große Menge an Wasservögeln, die sich
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