Das mohnrote Meer - Roman
zu Zeit stieß Zachary zwischen den Zuckerrohrfeldern auf Gruppen von Männern, die ihre Sicheln sinken ließen und ihn anstierten: Die Aufseher verbeugten sich und tippten sich devot mit der Peitsche an den Hut, während die Arbeiter ihn finster anstarrten, sodass er froh war um die Waffe in seiner Tasche. Das Plantagenhaus war schon aus weiter Ferne zu sehen, am Ende einer Allee von Bäumen mit sich abschälender honigfarbener Rinde. Er hatte ein Herrenhaus erwartet wie die auf den Plantagen in Delaware und Maryland, aber dieses Haus hatte weder Säulen noch Giebelfenster. Es war ein ebenerdiger, aus Holzbalken errichteter Bungalow, rings umgeben von einer breiten Veranda. Dort saß der Besitzer, Monsieur d’Epinay, in Unterhosen und Hosenträgern. Zachary fand nichts dabei und erschrak, als sein Gastgeber sich für seinen Aufzug entschuldigte und in stockendem Englisch erklärte, er habe nicht damit gerechnet, zu dieser Tageszeit Besuch von einem Gentleman zu bekommen. Er ließ seinen Gast in der Obhut einer Dienerin zurück, ging ins Haus und kam eine halbe Stunde später voll angekleidet wieder heraus. Dann ließ
er Zachary ein Essen mit vielen Gängen vorsetzen, zu denen beste Weine gereicht wurden.
Mit einigem Widerstreben sah Zachary auf seine Uhr und verkündete, er müsse sich jetzt verabschieden. Auf dem Weg hinaus übergab ihm Monsieur d’Epinay einen Brief an Mr. Benjamin Burnham in Kalkutta.
»Meine Zuckerrohrstauden verfaulen auf dem Feld, Mr. Reid«, sagte der Pflanzer. »Sagen Sie Mr. Burnham, dass ich Männer brauche. Seit wir keine Sklaven mehr auf Mauritius halten dürfen, brauche ich Kulis, sonst bin ich aufgeschmissen. Legen Sie ein gutes Wort für mich ein, bitte, ja?«
Als sie sich zum Abschied die Hand gaben, warnte ihn Monsieur d’Epinay. »Geben Sie acht, Mr. Reid, halten Sie die Augen auf. In den Bergen hier wimmelt es von Desperados und entlaufenen Sklaven. Ein Gentleman, der allein unterwegs ist, muss Vorsicht walten lassen. Halten Sie Ihre Pistole stets griffbereit.«
Zachary saß auf und trottete davon mit einem Grinsen im Gesicht und dem Wort »Gentleman« im Ohr: Dieses Etikett brachte einem offenkundig mancherlei Vorteile – was ihm noch deutlicher vor Augen geführt wurde, als er im Hafenviertel von Port Louis eintraf. Mit Einbruch der Nacht hatten sich die Gässchen rings um den Laskar-Basar mit Frauen bevölkert, die der Anblick von Zachary in Paletot und Hut förmlich elektrisierte. Worauf er flugs Kleider auf seine Liste preiswürdiger Dinge setzte. Dank ihrer magischen Wirkung sah sich Zachary Reid, der bei den Huren von Fell’s Point so oft abgeblitzt war, auf einmal von Frauen umringt und bedrängt: Sie fuhren ihm durchs Haar, pressten ihre Hüften an ihn und nestelten verspielt an den Hornknöpfen seiner aus feinem Wollstoff geschneiderten Hose. Eine von ihnen, die sich »Madagaskar Rose« nannte, war ausnehmend hübsch, mit
Blüten hinterm Ohr und rot bemalten Lippen. Nur allzu gern hätte er sich nach zehn Monaten auf See hinter ihre Tür ziehen lassen, um seine Nase zwischen ihre jasminduftenden Brüste zu stecken und mit der Zunge ihre Vanillelippen zu erforschen, doch unversehens vertrat ihm Serang Ali in seinem Sarong den Weg, das Raubvogelgesicht zu einer Miene strenger Missbilligung verzogen. Als sie ihn sah, welkte die Rose von Madagaskar dahin und verschwand auf Nimmerwiedersehen.
»Malum Zikri nix Hirn in Kopf?«, fragte der Serang, die Arme in die Seiten gestemmt. »Bloß Wasser oben drin, in sein Kopf? Zu was brauch Pissnelk? Nich jetz eins-a pakka Sahib?«
Zachary hatte keine Lust auf eine Gardinenpredigt. »Zieh Leine, Serang Ali! Du kannst einem Seemann doch nicht den Puff verbieten.«
»Vor was Malum Zikri will zahl vor fiki-fak?«, fragte der Serang. »Noch nie Ok-toh-puss seh? Is ganz gliklich Fisch.«
Zachary war ratlos? »Ein Krake? Was hat denn der damit zu tun?«
»Nix hab seh?«, fragte Serang Ali. »Mista Ok-to-puss acht Hand hab. Mach immer selb gliklich in-drin. Immer lechel. Warum Malum nix auch mach so? Zehn Finger auch hab, nein?«
Nach einer Weile hob Zachary resigniert die Hände und ließ sich von Serang Ali wegführen. Auf dem Rückweg zum Schiff staubte Serang Ali ständig Zacharys Kleider ab, zupfte sein Halstuch zurecht, strich sein Haar glatt. Es war, als hätte er dadurch, dass er einen Sahib aus ihm gemacht hatte, ein Anrecht auf ihn erworben; Zachary konnte noch so viel fluchen und ihm auf die Finger hauen, er ließ
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