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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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allgemeinen Euphorie am Tisch
nicht mehr entziehen und richtete eine Frage an Mr. Burnham: »Wann, glauben Sie, wird die Flotte bereit sein, Sir?«
    »Zwei Fregatten sind vermutlich schon unterwegs«, sagte Mr. Burnham, »und was die Kauffahrer betrifft: Die Schiffe von Jardine & Matheson werden sich demnächst sammeln, ebenso unsere eigenen. Sie, Zachary, werden auf alle Fälle rechtzeitig zurückkommen, um mit von der Partie zu sein.«
    »Hört, hört!«, sagte Mr. Doughty und hob sein Glas.
    Einzig Kapitän Chillingworth ließ sich offenbar von der allgemeinen Begeisterung und der feuchtfröhlichen Stimmung nicht beeindrucken. Sein Schweigen war zu beharrlich, um noch länger unbeachtet zu bleiben. Richter Kendalbushe schenkte ihm ein freundliches Lächeln: »Jammerschade, Kapitän Chillingworth, dass Ihr Gesundheitszustand es Ihnen nicht erlauben wird, an der Kampagne teilzunehmen. Kein Wunder, dass Sie so bedrückt sind. Ich würde mich an Ihrer Stelle auch grämen.«
    »Mich grämen?«, brauste Kapitän Chillingworth so unvermittelt auf, dass alle zusammenzuckten. »Aber nein, ich gräme mich kein bisschen! Ich habe in meinem Leben genug solche Sachen gesehen; ich kann gut und gern darauf verzichten, mich noch einmal an solch einem Gemetzel zu beteiligen.«
    »Gemetzel?« Der Richter blinzelte erstaunt. »Aber Kapitän Chillingworth, ich bin sicher, es wird nicht mehr Tote geben, als unbedingt notwendig. Allerdings hat man nun mal stets einen Preis zu entrichten, wenn man Gutes bewirken will.«
    »Gutes, Sir?« Kapitän Chillingworth richtete sich unter großer Anstrengung auf seinem Stuhl auf. »Gut für wen, für die anderen oder für uns? Obwohl ich mich nicht mit Ihnen und Ihresgleichen in eine Reihe stellen sollte. Der Himmel weiß, dass aus dem, was ich getan habe, nur wenig Gutes erwachsen ist.«

    Zwei rote Flecke erschienen auf den Wangen des Richters, während er diese Worte in sich aufnahm. »Mein lieber Kapitän«, sagte er scharf. »Da gehen Sie aber hart mit sich ins Gericht – und mit uns. Wollen Sie damit sagen, dass diese Kampagne nichts Gutes bewirken wird?«
    »Aber nein, natürlich wird sie Gutes bewirken, keine Frage.« Chillingworths Worte kamen ganz langsam, als müsste er sie aus einem tiefen Brunnen der Bitterkeit heraufholen. »Ich bin sicher, dass sie manchen von uns großen Nutzen bringen wird. Aber ich werde gewiss nicht zu den Glücklichen gehören, so wenig wie die große Mehrheit der Chinesen. Die Wahrheit ist, Sir, dass Männer tun, was ihre Macht ihnen zu tun erlaubt. Wir sind nicht besser als die Pharaonen oder die Mongolen. Der einzige Unterschied ist, dass wir, wenn wir Menschen töten, uns verpflichtet fühlen, unser Handeln mit einem höheren, hehren Ziel zu rechtfertigen. Diese Heuchelei, das versichere ich Ihnen, wird uns die Geschichte nie verzeihen.«
    Hier nun griff Mr. Burnham ein, indem er sein Glas hörbar abstellte. »Nun denn, meine Herren! Wir können die Damen nicht warten lassen, bis wir alle Probleme dieser Welt gelöst haben; wir sollten uns zu ihnen gesellen.«
    Das Unbehagen löste sich in erleichtertem Gelächter auf, und die Männer erhoben sich und strebten hinaus. Zachary erreichte die Tür als Letzter, und dahinter wartete der Gastgeber auf ihn. »Verstehen Sie jetzt, Reid«, sagte Mr. Burnham leise und legte ihm den Arm um die Schulter, »verstehen Sie jetzt, warum ich mir Sorgen über das Urteilsvermögen des Kapitäns mache? Umso mehr wird es auf Sie ankommen, Reid.«
    Zachary fühlte sich geschmeichelt. »Ich danke Ihnen, Sir«, sagte er. »Sie können sich auf mich verlassen.«

    Mrs. Doughty sah Paulette über den Rand ihrer Tasse hinweg blinzelnd an. »Nun, meine Liebe!«, sagte sie, »Sie haben heute Abend ja einigen Jadu bewirkt.«
    »Pardon, Madame?«
    »Oh, glauben Sie nicht, Sie könnten mich hinters Licht führen!«, rief Mrs. Doughty und drohte ihr scherzhaft mit dem Finger. »Sie haben’s doch bestimmt gemerkt.«
    »Was gemerkt, Madame? Ich verstehe nicht.«
    »Haben Sie’s nicht gesehen? Dass er seine Ortolane nicht angerührt und kaum von dem Schmorbraten gekostet hat? Was für eine Verschwendung! Und die vielen Fragen, die er gestellt hat!«
    »Wer, Madame?«, fragte Paulette. »Von wem sprechen Sie?«
    »Na, von Richter Kendalbushe natürlich – da haben Sie eine Eroberung gemacht! Konnte gar nicht die Augen von Ihnen lassen.«
    »Richter Kendalbushe!«, rief Paulette beunruhigt. »Habe ich etwas falsch gemacht,

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