Das mohnrote Meer - Roman
und mit außerordentlicher Geschwindigkeit über Dinge zu verbreiten, die sie nicht ganz begriff.
Zum Glück ersparte Mr. Doughty Paulette die Mühe, auf die Attacke seiner Frau reagieren zu müssen. »Shabash, meine Liebe!«, rief er. »Volltreffer!« Dann wandte er sich Paulette zu und sagte: »Sagen Sie, Miss Lambert, hab ich Ihnen mal erzählt, wie Mrs. Doughty einen Ortolan auf mich abgefeuert hat?«
»Nein, Sir«, sagte Paulette.
»War im Government House«, fuhr der Lotse fort, »direkt vor den Augen des Gouverneurs. Traf mich mitten auf die Nase, der Vogel. Müssen gute zwanzig Schritt gewesen sein. Wusste sofort, die Frau ist die Richtige für mich – Augen wie ein Luchs.« Er spießte mit seiner Gabel den letzten Ortolan auf und schwenkte ihn in Richtung seiner Frau.
Paulette ergriff die Gelegenheit und wandte sich wieder Zachary zu. »Aber sagen Sie mal, Mr. Reid, wie kommunizieren Sie eigentlich mit Ihren Laskaren? Sprechen sie Englisch?«
»Sie kennen die Kommandos«, antwortete Zachary. »Und wenn nötig, übersetzt Serang Ali.«
»Und wie konversieren Sie mit Serang Ali?«
»Er spricht etwas Englisch. Wir machen uns schon verständlich. Komischerweise kann er meinen Namen nicht aussprechen.«
»Wie nennt er Sie denn?«
»Malum Zikri.«
»Zikri?«, rief Paulette. »Was für ein schöner Name! Wissen Sie, was er bedeutet?«
»Ich wusste gar nicht, dass er überhaupt etwas bedeutet«, sagte Zachary überrascht.
»Doch, doch. Er bedeutet ›Einer, der sich erinnert‹. Schön, nicht wahr? Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich Sie auch so nenne?«
Da errötete Zachary, und sofort bereute sie ihre Keckheit. Es war ein Geschenk des Himmels, dass in diesem Moment die Khidmatgars alle Blicke auf sich zogen: Sie trugen einen riesigen Geleebaum herein, eine dreistöckige Etagere mit davon abzweigenden Armen, jeder mit Miniatur-Vanillepuddings, -Götterspeisen, -Trifles, -Fruchtcremes, -Flammeris, -Weincremes und gezuckerten Früchten beladen.
Paulette wollte Zachary gerade eine Mangocreme empfehlen, da beanspruchte Mr. Doughty von Neuem ihre Aufmerksamkeit mit einer melancholischen Geschichte, in der bei einem Dinner im Government House eine als Wurfgeschoss benutzte Gans zu einem Duell geführt und den Brauch des gegenseitigen Bewerfens mit Essen offiziell in Misskredit gebracht hatte. Noch ehe der Lotse zu Ende war, warf Mrs. Burnham Paulette jenen besonderen Blick zu, der besagte, dass es für die Damen Zeit sei, sich in den Salon zurückzuziehen. Die Khidmatgars traten heran, um ihre Stühle wegzurücken, und die Frauen folgten der Gastgeberin hinaus.
Mrs. Burnham schritt in majestätischer Gelassenheit voran, doch kaum waren sie draußen, ließ sie Paulette mit Mrs. Doughty allein. »Ich verschwinde mal eben«, flüsterte sie Paulette verschmitzt ins Ohr. »Viel Glück mit der Dickmadam.«
Im Speisezimmer, wo sich die Männer am Tisch um den Gastgeber versammelt hatten, lehnte Kapitän Chillingworth höflich die Zigarre ab, die Mr. Burnham ihm anbot. »Ich danke Ihnen, Mr. Burnham«, sagte der Kapitän und griff nach einem Kerzenleuchter, »aber ich würde lieber bei meinen Zigarren bleiben, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
»Wie Sie möchten«, sagte Mr. Burnham und schenkte sich Portwein ein. »Aber bitte, Kapitän: Berichten Sie uns doch, was es Neues aus Kanton gibt. Wie stehen die Aussichten, dass die Himmelssöhne zur Vernunft kommen, bevor es zu spät ist?«
Der Kapitän seufzte: »Unsere Freunde in den englischen und amerikanischen Fabriken glauben nicht mehr daran. Fast ausnahmslos sind sie der Meinung, dass ein Krieg mit China unvermeidlich ist. Und offen gestanden sind die meisten von ihnen darüber keineswegs betrübt.«
»Also sind die Chinesen nach wie vor entschlossen«, sagte Mr. Burnham, »den Opiumhandel zu unterbinden?«
»Ja, leider«, erwiderte der Kapitän. »Die Mandarine sind offenbar tatsächlich zu keinerlei Kompromissen bereit. Erst neulich haben sie ein halbes Dutzend Opiumhändler enthaupten lassen, unmittelbar vor den Toren von Macao. Und die Leichen öffentlich aufgehängt als Abschreckung für alle, Europäer inklusive. Das hat seine Wirkung nicht verfehlt. Bis Februar war der Preis für bestes Patna-Opium auf vierhundertfünfzig Dollar die Kiste gesunken.«
»Gütiger Gott!«, rief Mr. Doughty. »War es nicht letztes Jahr noch das Doppelte?«
»In der Tat.« Mr. Burnham nickte. »Es ist jetzt völlig klar: Den Schlitzaugen ist jedes Mittel
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