Das mohnrote Meer - Roman
stehen oder nicht.«
Zachary konnte eine Antwort nun nicht mehr länger hinauszögern,
und so sagte er kopfschüttelnd: »Schlagen Sie sich das aus dem Kopf, Miss Lambert. Das geht nicht.«
»Warum nicht?«, fragte sie trotzig. »Nennen Sie mir einen Grund.«
»Nichts zu machen. Nicht nur, weil sie eine Frau sind, verstehen Sie, auch weil Sie eine Weiße sind. Die Ibis geht mit einer reinen Laskarenmannschaft in See, nur die Offiziere sind Europäer, wie man hier sagt. Und davon gibt es nur drei: den Ersten Steuermann, den Zweiten Steuermann und den Kapitän. Den haben Sie schon kennengelernt, und der Erste Steuermann ist der gemeinste Leuteschinder, den ich je gesehen habe. Einer solchen Besatzung möchten Sie nicht angehören, selbst wenn Sie ein Mann wären. Außerdem sind die weißen Kojen sowieso alle abgebaut worden. Kein Platz für noch einen Europäer an Bord.«
Paulette lachte. »Aber Sie verstehen nicht, Mr. Reid«, sagte sie. »Ich erwarte natürlich nicht, dass ich Offizier werde, so wie Sie. Ich will als Laskare anheuern, wie Jodu.«
»Himmel, Arsch und Zwirn!« Wieder lockerte sich Zacharys Griff, er verlor das Gleichgewicht, und der Riemen versetzte ihm einen Schlag in die Magengrube, dass ihm die Luft wegblieb.
Jodu versuchte Kurs zu halten, doch bis Zachary sich wieder fing, hatte die Strömung das Boot zurückgetrieben und das Burnham’sche Anwesen kam von Neuem in Sicht. Paulette achtete jedoch so wenig darauf wie auf das Stöhnen von der Bootsmitte her. »Ja, Mr. Reid«, fuhr sie fort, »wenn Sie nur bereit wären, mir zu helfen, dann wäre alles ganz einfach. Was Jodu kann, das kann ich auch, so war es schon, als wir noch Kinder waren, das wird er Ihnen attestieren. Ich kann genauso gut klettern wie er, ich kann besser schwimmen und laufen als er, und ich kann fast so gut rudern. Und was Sprachen angeht:
Bengali und Hindustani spreche ich genauso gut wie er. Er ist dunkler als ich, das stimmt, aber ich bin auch nicht so hellhäutig, dass man mich nicht für eine Inderin halten könnte. Früher konnten wir Außenstehende jederzeit davon überzeugen, dass wir Brüder sind, ich brauchte nur mein Trägerkleid gegen eine lungī zu tauschen und mir einen gamchhā um den Kopf zu binden. So waren wir überall zusammen, auf den Flüssen und in den Straßen der Stadt – fragen Sie ihn, er kann es nicht abstreiten. Wenn er also ein Laskare sein kann, dann kann ich es auch. Mit Kajal um die Augen, einem Turban auf dem Kopf und einer lungī um die Hüften wird mich niemand erkennen. Ich werde unter Deck arbeiten; man wird mich gar nicht sehen.«
Ein Bild Paulettes in lungī und Turban blitzte vor Zacharys Augen auf, und es war so widerwärtig, so unnatürlich, das er den Kopf schütteln musste, um es wieder loszuwerden. Es war schon schwer genug, das Mädchen im Sari mit der Paulette unter einen Hut zu bringen, die seine Träume besetzt hatte, mit der zarten Rose, der er auf der Ibis begegnet war, mit ihrem von einer Haube umrahmten Gesicht und der Gischtkrause aus Spitze um ihren Hals. Ihr Anblick hatte mehr als nur seine Augen gefesselt. Mit ihr zu sprechen, neben ihr zu gehen – nichts hätte er sich mehr gewünscht. Sich dieses Mädchen aber im Sarong vorzustellen, ein Tuch um den Kopf geknotet, barfuß in den Wanten, Reis aus einem Holznapf hinunterschlingend und mit Knoblauchatem über die Decks stolzierend – genauso gut hätte er sich vorstellen können, in einen Laskaren verliebt zu sein oder in einen Affen.
»Miss Lambert«, sagte er mit fester Stimme, »was Ihnen da vorschwebt, das ist ein Hirngespinst, und etwas anderes wird es nie sein: ein schlaffes Segel in der Flaute, das nie der leiseste Windhauch blähen wird. Erst mal heuere nicht ich die Laskaren
an, sondern unser Serang. Und der bekommt sie von einem Ghat-Serang vermittelt … und soviel ich weiß, ist keiner dabei, der nicht dessen Cousin oder Onkel wäre oder Schlimmeres. Ich hab da nichts zu melden; er entscheidet, wer genommen wird.«
»Jodu hat er doch auch genommen.«
»Ja, aber nicht auf meine Empfehlung hin, sondern wegen eines Unfalls.«
»Aber wenn Jodu sich für mich einsetzen würde«, beharrte Paulette, »dann würde er mich doch nehmen, oder?«
»Vielleicht.« Zachary warf Jodu einen Blick zu und sah, dass dessen Gesicht vor Ärger verzerrt war. Sie waren sich in dieser Sache einig, so viel stand fest, warum sollte er ihn also nicht selbst zu Wort kommen lassen? »Haben Sie Jodu gefragt, was er davon
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