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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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hält?«
    Da kam ein Zischen aus Jodus Mund, gefolgt von einem Schwall von Worten und Ausrufen, die keinen Zweifel an seinem Standpunkt ließen. »Stopp! Wie sie soll leben bīch o bīch mit so viel Mann? Kennt nicht Unterschied Klüver und Klüse, Schoten und Wanten!« Und als letzten rhetorischen Schnörkel fragte er: »Lady Laskar …?«, und gab die Antwort selbst, indem er über die Bordwand spuckte.
    »Sie dürfen dem lieben kleinen Kerl keine Attention schenken«, sagte Paulette schnell. »Er blablatiert hier so daher, weil er eifersüchtig ist und nicht zugeben will, dass ich ein genauso guter Marin sein kann wie er. Er möchte mich gern als seine hilflose kleine Schwester sehen. Aber was er denkt, spielt keine Rolle, Mr. Reid, denn er wird tun, was Sie ihm sagen. Es liegt alles bei Ihnen, Mr. Reid, nicht bei Jodu.«
    »Miss Lambert«, sagte Zachary sanft, »Sie selbst haben mir doch gesagt, dass er wie ein Bruder für Sie ist. Begreifen Sie nicht, dass Sie ihn in Gefahr bringen, wenn Sie das machen?
Was glauben Sie, was die anderen Laskaren mit ihm anstellen würden, wenn sie rauskriegen, dass er sie reingelegt und eine Frau in die Back gebracht hat? So mancher Seemann ist schon für weniger umgebracht worden. Und denken Sie doch daran, Miss Lambert, was man mit Ihnen machen würde, wenn man Sie entlarvt – und das würde passieren, das könnte kein Talisman und keine Beschwörung verhindern. Und was dann los ist, glauben Sie mir, Miss, da möchte keiner von uns auch nur dran denken.«
    Paulette hatte die ganze Zeit stolz und aufrecht dagesessen, jetzt aber sanken ihre Schultern herab. »Sie werden mir also nicht helfen?«, sagte sie langsam und stockend. »Obwohl Sie mir Ihr Wort gegeben haben?«
    »Wenn ich Ihnen sonst irgendwie helfen könnte«, sagte Zachary, »würde ich es mit Freuden tun. Ich habe ein bisschen Geld gespart, Miss Lambert … für eine Passage auf einem anderen Schiff könnte es reichen.«
    »Ich will Ihre Mildtätigkeit nicht, Mr. Reid«, erwiderte Paulette. »Begreifen Sie nicht, dass ich mich beweisen muss? Glauben Sie, ein paar kleine Obstakel hätten meine Großtante von ihrer Reise abgehalten?« Paulettes Unterlippe zitterte und schwoll an, und sie musste sich eine Zornesträne aus dem Auge wischen. »Ich hatte Sie für einen besseren Menschen gehalten, Mr. Reid, einen Mann, der zu seinem Wort steht, aber ich sehe, Sie sind nichts als ein armseliges Hommelette.«
    »Ein Omelette?«
    »Ja. Ihr Wort ist keinen Champignon wert.«
    »Es tut mir leid, Sie zu enttäuschen, Miss Lambert, aber ich bin mir sicher, es ist zu Ihrem Besten. Ein Klipper ist kein Ort für ein Mädchen wie Sie.«
    »Ach, das ist es also? Ein Mädchen kann das nicht?« Paulette
warf den Kopf zurück, und ihre Augen blitzten. »Wenn man Sie so hört, könnte man glauben, Sie hätten das Pulver erfunden. Aber Sie irren sich, Mr. Reid: Ich kann es, und ich werde es auch tun.«
    »Na, dann wünsche ich Ihnen viel Glück«, sagte Zachary.
    »Wagen Sie’s nicht, sich über mich lustig zu machen, Mr. Reid!«, rief Paulette. »Ich mag momentan zwar in Schwierigkeiten stecken, aber ich werde nach Mauritius kommen, und dann werde ich Ihnen ins Gesicht lachen. Ich werde Ihnen Schimpfworte an den Kopf werfen, die Sie noch nie gehört haben.«
    »Tatsächlich?« Das Ende der Schlacht war in Sicht, und Zachary gestattete sich ein Lächeln. »Und welche könnten das sein, Miss?«
    »Ich werde Sie …« Paulette brach ab und durchforschte ihr Gedächtnis nach einem Fluch, der beleidigend genug war, um ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen. Auf einmal platzte es aus ihr heraus: »Ein Scharbock sind Sie, Mr. Reid, ein widerwärtiger Scharbock!«
    »Ein Scharbock?«, fragte Zachary verdutzt und schaute zu Jodu hin, der jedoch nur die Achseln zuckte.
    »Jawohl!« Paulettes Stimme bebte vor Entrüstung. »Mrs. Burnham sagt, das ist etwas Unaussprechliches, was eine Lady nie in den Mund nehmen sollte. Sie halten sich vielleicht für den Kaiser von Amerika, Mr. Reid, aber ich sage Ihnen, was Sie wirklich sind: ein unsäglicher Scharbock.«
    Zachary fand die Situation so absurd, dass er lachen musste, und Jodu ließ sich von ihm anstecken.
    »Ja, ja, lacht nur, ihr beiden«, schäumte Paulette. »Aber wartet’s ab: Mich lasst ihr nicht hier zurück.«

VIERZEHNTES KAPITEL
    N ur für die Außenwelt erweckte das Gefängnis von Alipur den Anschein eines einheitlichen Reichs; für seine Insassen bestand es aus mehreren Fürstentümern, jedes

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