Das mohnrote Meer - Roman
Gumashta zur Eile.
Da ihre Zeit offenkundig begrenzt war, sagte Nil rasch: »Ich bin Ihnen sehr dankbar für diese Geschenke. Aber darf ich mich nach dem Grund für diese Großzügigkeit erkundigen?«
»Sie nicht können denken?«, rief der Gumashta sichtlich enttäuscht.
»Was?«
»Dass Ma Taramony hat geschickt? Verständnis nicht vorhanden?«
»Ma Taramony!« Der Name war Nil völlig vertraut, er hatte ihn oft aus Elokeshis Mund vernommen – doch dass er hier
erwähnt wurde, überraschte ihn. »Aber ist sie denn nicht schon dahingegangen?«
Babu Nob Kissin schüttelte heftig den Kopf und setzte zu einer Erklärung an. Doch angesichts der Aufgabe, angemessene Worte für eine so enorm komplizierte Angelegenheit zu finden, besann er sich und begnügte sich damit, seine Hände sprechen zu lassen – in einer umfassenden, flatternden Geste, die damit endete, dass er den Zeigefinger an seinen Busen drückte, um auf die in seinem Inneren erblühende Präsenz hinzuweisen.
Ob es an der beredten Zeichensprache lag oder nur an der Dankbarkeit für die Nahrungsmittel, die der Gumashta gebracht hatte, mag dahingestellt bleiben, jedenfalls offenbarte die Geste Nil, dass es sich hier um mehr als einen trivialen Vorgang handelte. Er glaubte zumindest ansatzweise verstanden zu haben, was Babu Nob Kissin ihm mitteilen wollte; und er begriff auch, dass in diesem seltsamen Mann etwas am Werk war, was über den Bereich des Gewöhnlichen hinausging. Was es genau war, hätte er nicht zu sagen gewusst, und es fehlte auch die Zeit, darüber nachzudenken, denn die Silahdars hämmerten bereits an die Tür, um den Gumashta zum Aufbruch zu animieren.
»Weitere Diskussion muss warten auf regnerischen Tag«, sagte Babu Nob Kissin. »Ich werde versuchen, früheste Gelegenheit nutzen. Bis dahin bitte nehmen zur Kenntnis, dass Ma Taramony hat gebeten, Segnungsbotschaft überbringen.« Damit tippte der Gumashta beiden Sträflingen leicht auf die Stirn und entschwand durch die Tür.
Als er gegangen war, schien die Zelle noch düsterer als zuvor. Ohne recht zu wissen, was er tat, teilte Nil die Geschenke in zwei Teile auf und hielt seinem Zellengenossen den einen hin: »Hier.«
Ah Fatts Hand kam aus dem Dunkeln, um seinen Anteil entgegenzunehmen. Und dann, zum ersten Mal seit dem Vorfall mit dem Ersten Steuermann, sagte er etwas: »Nil …«
»Ja?«
»War schlimm, was geschehen …«
»Sag das nicht mir. Das solltest du dir selbst sagen.«
Nach einer kurzen Pause sagte Ah Fatt: »Ich töten werde dieses Schwein.«
»Wen?«
»Crowle.«
»Wie denn?« Fast musste Nil lachen. »Mit bloßen Händen?«
»Warte nur. Du wirst sehen.«
Die Frage der heiligen Flamme ließ Diti keine Ruhe. An ein Feuer, selbst an ein kleines, war bei den damit verbundenen Gefahren nicht zu denken. Etwas weniger Riskantes wurde gebraucht, aber was? Da die Hochzeit ein besonderer Anlass war, hatten die Auswanderer ihre Habseligkeiten durchgesehen und Lämpchen und Kerzen zusammengetragen, die den Laderaum während des letzten Teils der Feier erleuchten sollten. Doch eine ringsum geschlossene Lampe oder Laterne von der Art, wie sie auf dem Schiff verwendet wurden, hätte die Zeremonie ihrer ganzen Bedeutung beraubt. Wie sollte man eine Hochzeit ernst nehmen, wenn Braut und Bräutigam eine einzelne blakende Flamme sieben Mal umkreisten? Es mussten Kerzen sein, entschied Diti, so viele, wie man auf einer thālī gefahrlos unterbringen konnte. Sie fanden sich auch und wurden ordnungsgemäß angezündet, doch als sie in die Mitte des Laderaums gebracht wurden, entfaltete die feurige thālī ein Eigenleben: Sie rutschte mit den Bewegungen des Schiffes hierhin und dorthin und drohte den ganzen Laderaum
in Brand zu setzen. Jemand musste daneben postiert werden und sie festhalten – aber wer? Es meldeten sich so viele Freiwillige, dass man schließlich, um niemanden zu kränken, ein halbes Dutzend Männer mit der Aufgabe betraute. Als das Brautpaar dann aufzustehen versuchte, wurde einmal mehr deutlich, dass man bei der Planung des Rituals das Schwarze Wasser außer Acht gelassen hatte. Kaum standen die beiden, brachte das Schlingern des Schiffes sie zu Fall. Sie plumpsten bäuchlings auf die Planken und schlitterten nach Steuerbord. Ein harter Aufprall an der Bordwand schien bereits unausweichlich, da neigte sich der Schoner nach Backbord, und sie schossen mit den Füßen voran in die entgegengesetzte Richtung. Die allgemeine Heiterkeit, die dieses Schauspiel
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