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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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hervorrief, fand erst ein Ende, als der flinkste der jungen Männer hinzusprang, schützend die Arme um das Paar schloss und es auf diese Weise fest- und aufrecht hielt. Bald aber begann auch er zu schwanken und zu rutschen, sodass etliche andere zu Hilfe kommen mussten. Diti war so erpicht darauf, die Flammen zu umrunden, dass sie sich mit Kalua als Erste ins Getümmel stürzte, und bald war der ganze Laderaum im heiligen Kreis des Ehebündnisses vereint. So groß war die Begeisterung, dass einige Festteilnehmer, als es für die frisch Vermählten Zeit wurde, sich in das Brautgemach zurückzuziehen, nur mit Mühe davon abgehalten werden konnten, sie dorthin zu begleiten.
    Nachdem das Paar darin verschwunden war, nahmen die Anzüglichkeiten und der Gesang an Lautstärke zu. Es herrschte ein solcher Lärm, dass niemand merkte, wie anderswo auf dem Schiff ein Geschehen ganz anderer Art seinen Lauf nahm. Eine erste Andeutung kam, als über ihnen etwas mit einem gewaltigen Schlag, der das ganze Schiff erzittern ließ, auf das Deck fiel. Erschrockene Stille trat ein, dann ertönte irgendwo
hoch oben der Schrei einer Frau: »Zu Hilfe! Sie bringen ihn um! Sie haben ihn runtergeworfen …«
    »Wer war das?«, fragte Diti.
    Paulette dachte sofort an Munia. »Ist sie hier? Wo ist sie? Munia, wo bist du?«
    Als keine Antwort kam, rief Diti: »Wo kann sie denn sein?«
    »Bhaujī , ich glaube, in dem ganzen Durcheinander mit der Hochzeit hat sie sich davongeschlichen, um sich mit jemandem zu treffen …«
    »Mit einem Laskaren?«
    »Ja. Ich glaube, sie hat sich an Deck versteckt und ist oben geblieben, als wir hierher zurück sind. Die beiden müssen erwischt worden sein.«

    Vom Dach des Deckshauses aufs Hauptdeck hinab waren es nicht mehr als fünf Fuß. Jodu war schon oft dort hinuntergesprungen, ohne sich zu verletzen. Aber von einem Silahdar hinuntergestoßen zu werden, war eine andere Sache: Er war mit dem Kopf voran gestürzt und zum Glück mit der Schulter und nicht mit dem Kopf aufgekommen. Doch als er aufstehen wollte, fuhr ihm ein stechender Schmerz in den Oberarm, und als er sich aufstützte, merkte er, dass seine Schulter sein Gewicht nicht zu tragen vermochte. Während er noch versuchte, sich auf dem glitschigen Deck aufzurappeln, packte ihn eine Hand an seiner baniyāin und zog ihn hoch.
    »Du Laskarenhund!«
    Jodu versuchte, den Kopf zu drehen, um dem Subedar ins Gesicht zu sehen. »Ich hab nichts getan«, brachte er mühsam hervor. »Wir haben nur geredet, nur ein paar Worte – mehr nicht.«
    »Du wagst es, mir in die Augen zu sehen, du Sohn eines Schweins?«

    Der Subedar hob Jodu mit einem Arm hoch, sodass Jodu nur noch hilflos mit Armen und Beinen zappeln konnte. Dann holte er mit der anderen Hand aus und schlug Jodu mit der Faust ins Gesicht. Jodu spürte Blut, das ihm aus einer frischen Zahnlücke auf die Zunge floss. Er konnte nur noch verschwommen sehen, sodass Munia, die sich unter einem Beiboot zusammengekauert hatte, wie ein Haufen alter Segeltuchfetzen aussah.
    Er setzte noch einmal an – »Ich hab nichts getan« –, doch das Dröhnen in seinem Kopf war so laut, dass er seine eigene Stimme kaum hören konnte. Dann landete die Faust des Subedars noch einmal in seinem Gesicht, diesmal auf der anderen Seite, und seine Wange schwoll an wie ein windgeblähtes Leesegel. Durch die Wucht des Schlags entglitt er dem Griff des Subedars und krachte aufs Deck.
    »Du Laskarenbock, wer hat dir gesagt, dass du unsere Frauen beschnüffeln darfst?«
    Jodus Augen waren jetzt halb geschlossen, und das Dröhnen in seinem Kopf machte ihn unempfindlich für den Schmerz in seiner Schulter. Er kam mühsam auf die Beine und wankte wie ein Betrunkener über das schräge Deck. Im Licht der Lampe am Kompasshaus sah er, dass die anderen herangekommen waren und zuschauten. Sie waren alle da, Mamdu-Tindal, Sunker, Raju, sie schauten den Silahdars über die Schultern und warteten darauf, was er, Jodu, als Nächstes tun würde. Dass seine Kameraden, deren Achtung er sich so mühsam erworben hatte, Zeugen seiner Demütigung wurden, machte ihn so wütend, dass er in einem Anfall von Tollkühnheit das Blut ausspuckte und den Subedar anschrie: »Du Schwesternficker, für wen hältst du dich eigentlich? Denkst du, wir sind deine Sklaven?«
    »Kyā. « Über diese Dreistigkeit war der Subedar so verblüfft,
dass er nicht wusste, wie er reagieren sollte. In diesem Moment trat Mr. Crowle neben ihn und baute sich vor Jodu auf.
    »Sieh einer

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