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Das mohnrote Meer - Roman

Das mohnrote Meer - Roman

Titel: Das mohnrote Meer - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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an, wen haben wir denn da? Ist das nicht schon wieder Mr. Reids kleiner Scheißer?«
    Crowle hielt ein Stück Tau in der Hand. Er holte aus und schlug Jodu mit dem verknoteten Ende auf die Schultern, so dass Jodu in die Knie brach und sich mit den Armen abstützte: »Runter mit dir, du kleiner Scheißer.«
    Wieder sauste das Tau herab und traf Jodu so hart, dass er auf allen vieren vorwärts rutschte. »Ja, so ist’s recht. Kriech, du Hund, kriech – wenn ich mit dir fertig bin, kannst du nur noch kriechen wie ein Tier.«
    Beim nächsten Hieb mit dem Tau knickten Jodu die Arme ein, und er fiel der Länge nach auf die Decksplanken. Der Steuermann packte ihn an seiner baniyāin und zerrte ihn hoch, wobei das Gewand in der Mitte zerriss. »Du sollst kriechen, hab ich gesagt! Also lieg hier gefälligst nicht faul rum, du Hurensohn – kriech!«
    Ein Tritt ließ Jodu auf allen vieren vorwärts taumeln, doch seine Schulter konnte das Gewicht nicht mehr tragen, und nach ein paar Schritten brach er wieder zusammen und blieb bäuchlings liegen. Seine baniyāin war jetzt vollends zerrissen und hing ihm in Fetzen unter den Achseln. Deshalb packte ihn der Steuermann jetzt am Hosenbund, zerrte daran und riss die Hose mit einem Ruck entzwei. Das Tau klatschte auf Jodus nacktes Hinterteil, und er schrie vor Schmerz auf.
    »Allah hilf!«
    »Spar dir deinen Atem«, schnaubte der Steuermann. »Jack Crowle ist jetzt der, den du anflehen solltest. Kein anderer kann deine Schinken retten.«
    Wieder sauste das Tau auf Jodus Hinterteil herab, und der Schmerz war so furchtbar, dass er nicht einmal mehr die Kraft
hatte, aufs Gesicht zu fallen. Er kroch noch ein Stück vorwärts, dann sah er mit hängendem Kopf durch das Dreieck zwischen seinen nackten Schenkeln die Gesichter seiner Kameraden, die mitleidig und beschämt zu ihm hersahen.
    »Kriech, du dreckiger Hund!«
    Er schleppte sich noch ein Stückchen weiter, und eine Stimme in seinem Kopf sagte: »Ja, du bist jetzt ein Tier, ein Hund, sie haben ein Tier aus dir gemacht: kriech, kriech …«
    Jetzt endlich ließ Mr. Crowle das Tau fallen und befahl den Silahdars: »Bringt das Stück Scheiße runter und sperrt ihn ein.«
    Sie waren fertig mit ihm. Er war nur noch ein Stück Aas, das man fortschaffen musste. Während die Bewacher ihn zum Vorschiff schleiften, hörte Jodu irgendwo achtern die Stimme des Subedars:
    »Und jetzt zu dir, du Kuli-Hure. Jetzt bist du dran. Höchste Zeit, dass auch du deine Lektion bekommst.«

    Im Laderaum herrschte inzwischen ein einziges Chaos, alle liefen durcheinander und versuchten, sich einen Reim darauf zu machen, was auf Deck vor sich ging – wie Ameisen, die in einer Trommel gefangen sind und wissen wollen, was draußen geschieht. Bedeutete dieses laute, immer schneller werdende Scharren, dass Jodu zur Back geschleift wurde? Bedeutete dieses Trommeln in Richtung pīchhil , dass Munia sich strampelnd dagegen wehrte, weggeschleppt zu werden?
    Da hörten sie ihre Stimme: »Helft mir! Rettet mich, sie bringen mich in ihren kamrā …«
    Plötzlich verstummte sie, als hielte ihr jemand den Mund zu.
    Paulette fasste Diti am Ellenbogen. »Bhaujī! Wir müssen etwas tun! Bhaujī! Wer weiß, was die mit ihr anstellen!«

    »Was können wir schon tun, Paggli?«
    Einen Moment lang war Diti versucht zu sagen, das sei nicht ihre Aufgabe, sie sei nicht jedermanns bhaujī und man könne schließlich nicht von ihr erwarten, dass sie jeden Kampf ausfechte. Aber dann dachte sie an Munia, die ganz allein dort oben war, in einem Raum voller Silahdars und Mistris, und wie von selbst erhob sie sich. »Komm«, sagte sie, »wir gehen zur Luke.«
    Kalua bahnte ihnen einen Weg durch die Menge, und sie stiegen den Niedergang hinauf und schlugen gegen die Luke. »Aho! Ist da jemand? Wo seid ihr, ihr Bataillone von Silahdars und Mistris?«
    Als keine Antwort kam, drehte sich Diti zu den anderen um und fragte: »Und ihr? Warum seid ihr auf einmal so still? Vor ein paar Minuten habt ihr noch einen Riesenspektakel gemacht. Kommt her! Wollen doch mal sehen, ob wir auf diesem Schiff nicht an den Masten rütteln können. Wollen doch mal sehen, wie lange die uns ignorieren können.«
    Das Lärmen setzte nach und nach ein. Erst standen die Männer aus den Bergen auf und stampften mit den Füßen, dann klirrten die Armreife einer Frau gegen eine thālī , andere schlugen Krüge und Töpfe aneinander, wieder andere schrien oder sangen nur, und nach wenigen Minuten war es, als wäre im

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