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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
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Schienen vor einem
grauen Betonblock, dann ein greller Blitz, und der Bildschirm
war leer.
»Oooh!« ging es durch den Saal.
»Gottverdammt!« Wainwright kam gar nicht wieder zu sich.
»Sollte das Elektronenungeheuer tatsächlich mit Menschen
Mitleid haben?«
Mitsukawa war’s, der sich an Wainwright wandte. »Hätten Sie nicht Lust, wieder mal meine Chrysanthemen
zu besichtigen?« näselte er liebenswürdig.
    Wainwright, Doris und Gendsi saßen wieder im sechseckigen Café.
    »Menschenskind, die reine Idiotie!«
sagte Wainwright boshaft. »So einen Richter würde man bei
uns zum Teufel schicken. Oder zum Psychiater. Doris, lesen Sie doch die
Stelle noch mal vor, wo er sich über Werte
ausläßt.«
    Doris überflog das Gerichtsurteil.
»Hier.« Sie las: »Gesetzt den Fall, der
Schienentransport der Kyuukoo-Umpan wäre von einem
gewöhnlichen Eiweißsystem geleitet worden, das mit
Fernsteuerung ausgerüstet wurde und ein Spezialtraining
absolvierte, wie hätte es sich verhalten, hätte es einen
Neuroid auf den Schienen entdeckt? Es ist anzunehmen, daß das
genannte System trotz seiner relativen Primitivität reagiert
hätte wie Denschi-Boß, der auf wesentlich höherer
Entwicklungsstufe steht. Denn der potentielle Wert eines jeden Systems,
ob auf Eiweiß- oder neuroider Basis, das zur organisierten
Veränderung chaotischer Umwelt und zur Verarbeitung von
Informationen imstande ist, besitzt einen unermeßlich
höheren Wert als Materie, die über die genannten
Fähigkeiten nicht verfügt, wozu das Stückgut des
Klienten zählt. Zugunsten dieses Schlusses spricht der Umstand,
daß zur Zeit Eiweißsysteme in der Regel nicht als
Austauschobjekte gegen wertmäßig äquivalente chaotische
Materie oder Zahlungsmittel angesehen werden.
In Auswertung der Fakten wird festgestellt, daß DenschiBoß,
Neuroid, Angestellter der Kyuukoo-Umpan, eine Handlung begangen hat,
die zum Verlust von Eigentum eines Klienten der Firma führte. Sie
wurde jedoch nicht mit dem Ziel der Vernichtung des genannten Eigentums
begangen, sondern zwecks Erhaltung der normalen Funktionsweise eines
nicht voll entwickelten Eiweißindividuums, dessen potentieller
Wert den Wert der Fracht des Klienten erheblich, übersteigt.
Demzufolge gehört der vorliegende Tatbestand nicht zur Kategorie
derer, die eine Zahlung der Versicherungssumme nach sich ziehen. Also
kann der Klage nicht stattgegeben werden.«
»Na, bitte schön!« Wainwright fuhrwerkte wütend
mit dem Zigarettenstummel im Aschenbecher herum. »Wenn das nicht
idiotisch ist!«
»Ich würde es anders nennen«, sagte Gendsi
zögernd. »Ich sagte, glaube ich, schon einmal, daß
Amanoiwato möglicherweise ganz andere Kriterien heranzieht als wir
Menschen. Wenngleich er seine Erfahrungen unserer täglichen Praxis
entnimmt, ist es dennoch denkbar, daß er die Dinge anders
einschätzt.« Gendsi schwieg. Dann: »Ich nehme an,
daß Amanoiwato sich im großen und ganzen nach den
Grundgesetzen der Erhaltung und Förderung der menschlichen
Gesellschaft richtet. Auch steht sein Urteil in keinerlei Widerspruch
zu den Gesetzen einer höheren Logik. Anders als viele unserer
Handlungsweisen…«
Doris sah ihm mit unbekümmerter Neugier ins Gesicht.
»Interessant, die Überlegung«, sagte sie und griff zum
Notizblock. »Wir haben also folgendes Phänomen: Ein Neuroid
kriegt es fertig, sich von Mitleid leiten zu lassen, und ein andrer
Neuroid hält das für vollkommen in Ordnung.«
Wainwright prustete los. »Na, Doris, Ihr berühmter Riecher
hat Sie ganz schön versetzt. Mit Schnapsideen ist im
Geschäftsleben kein Blumentopf zu gewinnen!«
Kaum merklich kniff Doris ihre hellen Augen ein. »Hm, Keith, wie
hätten Sie denn anstelle von Denschi-Boß reagiert?«
Die Kleine scheint eingeschnappt, dachte Wainwright überrascht, sonst würde sie nicht so dumm fragen.
»Von mir ganz abgesehen«, sagte er. »Aber ich wette,
nicht einer meiner Angestellten würde seine Karriere aufs Spiel
setzen, bloß wegen irgendeines… äh…«
»… japanischen Bürschchens«, sprang Gendsi ein.
»Nicht mal wegen eines amerikanischen!« rief Wainwright
wütend. »Und ein normaler Richter würde dafür
volles Verständnis aufbringen.«
»Ich bleibe bei meiner Ansicht, Mr. Wainwright«, sagte
Gendsi unbeirrbar höflich. »Wenn Amanoiwato die Menschen
vielleicht auch höher bewertet, als es ihnen bislang zukommt, so
schätzt er ihre Entwicklungsperspektiven doch richtig ein.«
Wainwright winkte ärgerlich ab. »Zum Teufel mit dem
Gewäsch!

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