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Das Molekular-Café

Das Molekular-Café

Titel: Das Molekular-Café Kostenlos Bücher Online Lesen
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eine
Platte ablaufen und – Schock. Das Exemplar windet sich und
brüllt. Aber es behält das Bild und die Worte im
Gedächtnis: ›Das ist ein Haus. Lala Ali. Auto,
Synchrophasotron‹ et cetera. Das Exemplar behält es. Ach
so, Sie wissen ja nicht: Im Labor gibt es keinen Spiegel. Das Exemplar
sieht irgendwelche merkwürdige Wesen und weiß nicht,
daß es selbst so eins ist. Es denkt, es ist was anderes, ein
Äffchen, ein Versuchskaninchen, aber nicht ein Mensch. Ein
Äffchen, das mit Spritzen ernährt wird, seine Haut ist
überall zerstochen. Frühstück, Mittagessen, Abendbrot.
Essen wird ihm erst später beigebracht. Wissenschaftlich. Sie
zeigen einen Film: ein pummeliger Blondschopf vor einem
Grützebreichen. Irgendein Spaßvogel hat diesen Film
›Guten Appetit‹ genannt. – Danke
gleichfalls«, rief er wie im Sprechchor und verstummte.
»In den Laboratorien sind sie also imstande… Ich dachte
immer, die Untersuchungen wären erst im Anfangsstadium, man
würde experimentieren…«, sagte ich.
Er lächelte.
»Haben Sie schon mal was von Gasthrovy gehört?«
»Ein wenig.«
»Der hat vor fünfundzwanzig Jahren die modifizierte
Evolutionstheorie veröffentlicht. Ist Ihnen das ein Begriff?«
»Das ist doch schon Geschichte.«
»Nicht unbedingt. Er behauptete nämlich, und zwar sehr
witzig, er könne künstliche Menschen machen. Künstliche
sagte er. Der Idiot! Das nahm sich ungefähr so aus: Der Mensch
stellt in der Entwicklung ein höheres Kettenglied dar als der
Affe. Demnach würde aus einem Affen, der irgendwo auf einen
Gletscher gebracht wird, in einer bestimmten Zeit ein Mensch.
Natürlich nicht aus dem konkreten Affen. Aus seinem Nachkommen.
Außerdem trifft das nicht auf jeden Affen zu. Sondern auf einen,
der, sagen wir, infolge günstiger Umstände ein besonders
dichtes Fell hat. Dadurch überlebt er.«
»Aber sein Nachkomme kann doch kahl sein«, sagte ich.
»Nein«, sagte er und lächelte wieder. »Gasthrovy
behauptet, die nützlichen Eigenschaften würden erhalten
bleiben. Gesteuerte Mutation der Gene.«
Ich brummte etwas vor mich hin.
»Dieser Nachfahre wiederum könnte einen Bruder haben, der
auch irgendeine nützliche Eigenschaft besitzt. Und so weiter, bis
hin zum Menschen. Natürlich dauert das lange. Ständige
Einwirkung der Umweltbedingungen auf die Gene, verstehen Sie? Der
Schwanz immer kürzer, der Schädel immer kleiner. Und
Gasthrovy sagte sich: ›Warum nicht gleich so?‹ Kurz,
warum nicht dem Affen einen menschlichen Nachkommen bescheren, und
zwar, indem man die Empfänglichkeit der Gene für
äußere Bedingungen, aber nur für ganz bestimmte,
steigert. Es wurden dicke Wälzer verfaßt, ich kann Ihnen ein
paar Titel aufzählen: ›DarwinsEvolutionstheorie und die Gasthrovy-Theorie‹. Das hat Davis
    geschrieben. ›Grundlagen für die
Steuerung der Evolution‹ und ›Die Beschleunigung der
Lebensprozesse‹. Letzteres ist auch von Davis. Er nahm die Sache
damals ernsthaft in Angriff. Er war übrigens Engländer und
hatte einen Lehrstuhl in Oxford.«
    Mein Nachbar schwieg eine Weile und sah mich sonderbar an.
»Man begann also mit den Versuchen. Und da erst kam der
Österreicher Jugovitsch nach Oxford und machte einen
Mordsspektakel. Er sagte, die Voraussetzungen wären falsch, und
rief extra eine Kommission ins Leben, die das Experiment
überwachen sollte. Er redete von Verantwortungsbewußtsein,
es handle sich schließlich um einen Menschen et cetera. Aber das
war unnötig. Sie wissen bestimmt, daß wir nicht vom
Schimpansen abstammen? Irgendwelche gemeinsamen Vorfahren haben wir
allerdings. Würde man den Schimpansen weiterentwickeln,
entstünde daraus kein Mensch, weil das die Entwicklung eines
Nebenzweiges wäre, wie, sagen wir, die Evolution des Krokodils.
Man mußte also zunächst den Schimpansen in seiner
Entwicklung zurückverfolgen, und erst dann konnte man an den
Menschen denken. Doch wie die Evolution zurückdrehen? Man kannte
ja nicht mal genau die gemeinsamen Vorfahren. Das berüchtigte
›Bindeglied‹.«
Er lehnte sich tiefer in den Sessel zurück und neigte den Kopf zur Seite.
»Aber das Prinzip war immerhin schon da. Man mußte es in
die Tat umsetzen. Davis und Hermann – letzterer hatte damals
mehrere Beiträge zur Biochemie veröffentlicht –
experimentierten fünf Jahre lang in Oxford und verfaßten
Arbeiten darüber. Hermann hatte gerade erst seinen Doktor gemacht.
Sie untersuchten also die Bedingungen, die vermutlich geherrscht
hatten, als unser Urahn noch

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